Trierischer Volksfreund: Zur Bundestagswahl - Leitartikel, Trierischer Volksfreund, 23.09. 2013
Geschrieben am 22-09-2013 |
Trier (ots) - Die Union im Siegestaumel, die FDP im Tal der
Tränen, und die eurokritische AfD mit einem fulminanten Start. Angela
Merkels Wahltaktik ist aufgegangen: Alle Aufmerksamkeit auf die
eigene Person. Allein ihrer Popularität verdanken CDU/CSU ein
Ergebnis, wie es in einem Fünf-Parteien-Parlament schon nicht mehr
denkbar war.
Die verzweifelte Leihstimmenkampagne der Freien Demokraten hat
sich ins Gegenteil verkehrt. Nach jahrelangen Personalquerelen hat
sie sich mit ihrem Bettelaufruf so sehr selbst gedemütigt, dass ein
Großteil ihrer Wähler gleich zur Union abgewandert ist. Raus aus der
Regierung, zum ersten Mal seit 1949 nicht mehr im Bundestag. Es ist
völlig ungewiss, ob sich die FDP jemals von diesem historisch
schlechten Ergebnis erholen wird.
Über den Verlust ihres letzten Koalitionspartners dürfte die alte
und neue Kanzlerin ganz so unglücklich nicht sein. Ihr einstiges
Zweckbündnis mit der SPD gestaltete sich wesentlich reibungsloser als
die vergangenen vier Ehejahre mit den Freidemokraten.
Wenn es nicht gar zu einer eigenen absoluten Mehrheit reicht, ist
die große Koalition zwar nicht das rechnerisch einzig mögliche
Bündnis, aber das ehrlichste. Merkel hat sich ja bereits etliche
SPD-Positionen, angefangen vom Atomausstieg bis zur Abschaffung der
Wehrpflicht oder der Mietpreisbremse, zu eigen gemacht. Ein weiterer
Vorteil von Schwarz-Rot für die Kanzlerin: Sie müsste nicht mehr
gegen die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat regieren. Und dennoch
dürfte gerade die den Sozialdemokraten genügend Selbstbewusstsein
verleihen, dass sie von ihren Kernforderungen, der Erhöhung des
Spitzensteuersatzes, der Einführung der privaten Vermögenssteuer und
eines flächendeckenden Mindestlohns nicht so leicht werden
abzubringen sein.
Was im Falle einer großen Koalition aus dem vom kraftstrotzenden
bayerischen Partner CSU so heftig verteidigten Betreuungsgeld oder
dessen Forderung nach einer PKW-Maut wird, ist dagegen völlig offen.
Denn die SPD lehnt beide Projekte kategorisch ab. Das geflügelte
Wort, dass Opposition Mist ist, wurde einst vom Sozialdemokraten
Franz Müntefering geprägt. Jetzt dürfte sich für die SPD die Chance
eröffnen, wieder mitzuregieren. Aber viele an der Basis fürchten die
Merkel'sche Dominanz wie der Teufel das Weihwasser. Von der letzten
schwarz-roten Koalition haben sich die Genossen nie wieder richtig
erholt. Ob sie, die unter Parteichef Sigmar Gabriel wieder ein Stück
nach links gerückt sind, von ihrem Wahlkampfkernthema Gerechtigkeit
aber tatsächlich viele Positionen in ein Regierungsbündnis
hinüberretten könnten, ist fraglich. Zudem dürfte die jüngste
Bemerkung der Kanzlerin, die SPD sei beim Thema Europa unzuverlässig,
den Genossen noch immer wie ein Pfahl im Fleische stecken.
Apropos Europa. Das Thema haben alle Parteien im Wahlkampf bis auf
die national-konservative AfD sträflich vernachlässigt. Hier ist
erstmals rechts von der Union eine Partei her-angereift, die bis kurz
vor der Wahl viele unterschätzt haben. Die Euro-Gegner mögen
Populisten sein, sie haben aber eindrucksvoll bewiesen, dass die
Angst vor der Krise viele Menschen umtreibt.
Nicht nur die Pädophilie-Debatte, die vor allem ihren Spitzenmann
Jürgen Trittin nur wenige Tage vor der Wahl mit voller Wucht
getroffen hat, hat den Grünen das Wahlergebnis verhagelt. Spätestens
seit der Bayernwahl war klar, dass Themen wie soziale Gerechtigkeit
und Steuern zu sehr von ihrem Öko-Image und ihrer Kernkompetenz
ablenken. Das Ziel, sich breiter aufzustellen und dabei mit ihren
Umverteilungsplänen die SPD links zu überholen, hat die eigene,
überwiegend besser verdienende Klientel verschreckt.
Den dritten Platz im Parlament wird sie wohl an die Linke abtreten
müssen. Fest steht, dass angesichts der immensen innen- und
europapolitischen Herausforderungen das Regieren für Angela Merkel,
egal ob mit einer hauchdünnen absoluten Mehrheit oder einem neuen
Partner, nicht leichter werden dürfte.
Pressekontakt:
Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
Telefon: 0651-7199-544
t.zeller@volksfreund.de
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