Report Mainz: Länderprogramme für Syrien-Flüchtlinge kaum genutzt / Kritik an hohen finanziellen Hürden / Menschenrechtsbeauftragter Löning (FDP) sieht "Abwehr-Reflexe"
Geschrieben am 08-10-2013 |
Mainz (ots) - Die Programme der Bundesländer zur Aufnahme
syrischer Flüchtlinge durch Familienangehörige in Deutschland werden
nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" bisher kaum
genutzt. Eine aktuelle Umfrage unter allen Bundesländern ergab, dass
im Rahmen der Länderregelungen bisher nur 2 Syrer nach Niedersachsen
eingereist sind, in allen anderen Ländern noch kein einziger. Für
lediglich 45 Syrer liegen der Umfrage zufolge Vorabzustimmungen der
Ausländerbehörden vor: So hat Baden-Württemberg zugestimmt, dass 40
Bürgerkriegsflüchtlinge einreisen dürfen, Bremen meldet 5
Vorabzustimmungen. Die Bundesregierung hatte den Ländern bereits im
Juni grünes Licht für eigene Aufnahmeanordnungen erteilt (28.6.2013,
Bundestagsdrucksache 17/14136).
Das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" berichtet heute (8.10.,
21.45 Uhr im Ersten), dass die hohen finanziellen Anforderungen in
den Länderprogrammen dazu führen, dass viele Syrer in Deutschland,
die ihre engen Verwandten aufnehmen wollen, dies nicht können. So
muss beispielsweise eine Familie in Baden-Württemberg, die eine
Familie mit drei Kindern aufnehmen will, ein Nettoeinkommen von
monatlich 3.115 Euro nachweisen. Für viele Syrer in Deutschland
liegen die Einkommensgrenzen zu hoch.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt erklärt dazu im
Interview mit "Report Mainz": "Wir wissen aus unserer Beratungsarbeit
von den Rückmeldungen, dass kaum jemand diese Kriterien erfüllen
kann. Zehntausende von Syrern und von Deutschen syrischer Herkunft
sind verzweifelt, wissen nicht, was sie tun sollen, sie wollen ihre
Angehörigen zu sich holen, und sie scheitern an den
Länderbestimmungen. Die Länderprogramme sind mit extrem hohen Hürden
versehen. Wer kann schon mehrere tausend Euro netto pro Monat auf
Dauer verdienen? Das ist ein Familiennachzug für Wohlhabende, und
hier wird aus unserer Sicht Humanität mit Füßen getreten."
Im Interview mit "Report Mainz" kritisiert der
Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP),
hohe bürokratische und finanzielle Hürden der Länderanordnungen: "Ich
sehe durchaus guten Willen bei den Innenministern. Die Programme
werden verkündet, aber dann in der Praxis kommen die alten
Abwehr-Reflexe wieder: Wir müssen Leute draußen halten, es darf auf
gar keinen Fall irgendein finanzielles Risiko eingegangen werden. So
kommen wir nicht weiter. Da müssen weitere Schritte gegangen werden.
Die finanziellen Garantien müssen niedriger angesetzt werden, so dass
ein normaler Mensch sie auch erfüllen kann für seine Verwandten. Die
bürokratischen Hürden müssen abgesenkt werden. Das Programm muss
verlängert werden, damit die Familien tatsächlich nach Deutschland
kommen können." Löning forderte die Bundesländer auf, die Einreise
von syrischen Flüchtlingen deutlich zu erleichtern. "Mein Appell an
die Länderminister ist: das, was sie angekündigt haben, nämlich
humanitär zu helfen, jetzt auch umzusetzen, und darauf zu achten,
dass keine Hürden aufgerichtet werden, die nicht zu überspringen
sind."
Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der sich in der
Deutschen Bischofskonferenz mit Flüchtlingsfragen befasst, kritisiert
die Länderprogramme und fordert eine Lockerung der aus seiner Sicht
zu strikten Anordnungen: "Hier müssen andere Regelungen geschaffen
werden. Die, die Verwandte aufnehmen, die müssen nochmal eine
besondere Unterstützung und Förderung bekommen." Deutschland sei ein
reiches Land, das sich ein stärkeres Engagement für syrische
Flüchtlinge leisten könne. "Wir können uns mehr Hilfsbereitschaft und
Barmherzigkeit leisten. Und das sollten wir auch tun", sagte
Erzbischof Schick im Interview mit "Report Mainz".
Zum Hintergrund: Neben dem Bundesprogramm, demzufolge 5.000
syrische Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, haben 14 der 16
Bundesländer eigene Programme verabschiedet. Außer in Bayern und
Sachsen sind bereits überall Anordnungen in Kraft getreten, damit
hier lebende Syrier ihre Familienangehörigen ersten und zweiten
Grades unter erleichterten Bedingungen herholen können. Die
Länderanordnungen und Ausführungsbestimmungen sehen jedoch in den
meisten Bundesländern vor, dass in Deutschland lebende Syrer, die
Verwandte aufnehmen wollen, für deren Lebensunterhalt, Wohnung und
Krankenversicherung bürgen müssen.
Weitere Informationen unter www.swr.de/report. Zitate gegen
Quellenangabe "Report Mainz" frei. Fragen bitte an "Report Mainz",
Tel. 06131/929-33351.
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
489924
weitere Artikel:
- Der Tagesspiegel: Berliner SPD beharrt auf Steuererhöhungen Berlin (ots) - Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß hat
seine Partei davor gewarnt, im Zuge der Koalitionsverhandlungen mit
der Union die Forderung nach Steuerhöhungen für Spitzenverdiener
aufzugeben. "Wir sollten gerade jetzt unser Programm nicht über Bord
werfen", sagte Stöß dem Berliner "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe).
Der dringend notwendige Investitionsbedarf bei Bildung,
Infrastruktur, Familien und Rente summiere sich auf mindestens zehn
Milliarden Euro pro Jahr. "Das lässt sich seriös nicht ohne
zusätzliche staatliche mehr...
- Pfeiffer: Flüchtlingstragödie von Lampedusa ist erschütternd Berlin (ots) - Bei einem Schiffunglück vor der italienischen Insel
Lampedusa sind mehrere hundert Flüchtlinge ertrunken. Zu der
Flüchtlingstragödie vor erklärt die entwicklungspolitische Sprecherin
der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Sibylle Pfeiffer:
"Die Tragödie vor der Insel Lampedusa ist erschütternd. Wir
brauchen nun mehr denn je nachhaltige Antworten auf die
Flüchtlingsproblematik im Mittelmeerraum. Politische Schnellschüsse
bringen - bei aller Tragik der Geschehnisse - keine wirklichen
Lösungen. Hier ist auch mehr...
- Neue OZ: Neue OZ - Gespräch mit Matthias Groote (SPD), Vorsitzender des zuständigen Ausschusses für öffentliche Gesundheit im Europaparlament Osnabrück (ots) - EU-Ausschussvorsitzender beklagt "perfide
Methoden" der Tabaklobby
Nach Entscheidung zu Schockbildern auf Zigarettenschachteln
Osnabrück.- "Perfide Methoden" der Tabaklobby im Zuge der
Entscheidung zu strengeren Auflagen bei Tabakprodukten hat Matthias
Groote (SPD), Vorsitzender des zuständigen Ausschusses für
öffentliche Gesundheit im Europaparlament, beklagt. Im Gespräch mit
der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) sagte der SPD-Politiker,
die Industrie habe "heftige Attacken gefahren", um Einfluss mehr...
- AfD bekräftigt restriktive Aufnahmepolitik München (ots) - Die Sprecher der Alternative für Deutschland,
Konrad Adam, Bernd Lucke und Frauke Petry betonen, dass es in der
Parteiführung völlige Übereinstimmung über die jüngst verhängte
restriktive Aufnahmepolitik gebe. "Unsere Zielgruppe sind Nichtwähler
und die Wähler der etablierten Parteien", betonte Bernd Lucke.
"Frühere Mitglieder von Kleinparteien an den politischen Rändern oder
mit sektiererischen Ansichten sind uns nicht willkommen."
Lucke verwies darauf, dass Mitgliedsanträge von früheren
Mitgliedern extremistischer mehr...
- Europäisches Parlament stimmt über neue EU-Tabakproduktrichtlinie ab Berlin (ots) - Am heutigen Dienstag haben die Abgeordneten des
Europäischen Parlaments über eine neue EU-Tabakproduktrichtlinie
abgestimmt. Zentrale Ergebnisse der Abstimmung sind die Einführung
von Bildwarnhinweisen auf 65 % der Packungsfläche, die Ablehnung
eines Verbots von extradünnen Zigaretten und Übergangsfristen vor
Inkrafttreten eines Verbots von Menthol-Zigaretten. Vor einer
endgültigen Verabschiedung der neuen Richtlinie müssen nun das
Europäische Parlament, der Ministerrat als Vertretung der
Mitgliedstaaten und die Europäische mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|