Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zur Energiepolitik
Geschrieben am 09-10-2013 |
Bielefeld (ots) - Strom ist in Deutschland so günstig wie seit
Jahren nicht - leider nur an der Börse und für Großabnehmer. Für die
meisten Kunden sieht es ganz anders aus. Zusätzlich gut und gerne 70
Euro im nächsten Jahr zahlt der Durchschnittshaushalt, bei vielen
Familien ist es das Doppelte und gleich tausende Euro sind es für
unzählige Mittelständler. Die Bürger dürfen einmal mehr die
Brieftasche zücken und den Preis einer verfehlten, von Stillstand
geprägten Strompolitik zahlen. Die wird immer teurer - zumindest für
die Masse. Gut stellen sich nur einige tausend mit dem Argument der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit von ausgedehnten Ausnahmeregeln
erfasste Großverbraucher - und der Staat, der Kosten nicht nur
umlegt, sondern bei der Gelegenheit gleich noch selbst kräftig Kasse
macht. Nein, Luxusgut wird Strom für die allermeisten in der Republik
auch durch die neue Preisrunde nicht werden. Doch weitere Löcher
werden die immer höher ausfallenden Stromrechnungen schon in die
Haushaltskassen reißen. Und mit ihnen wird der Unmut über die
steigenden Kosten der Energiewende wachsen. Stopp! Hier lauert eine
Gefahr, falsche Schlüsse zu ziehen. Der große Kostentreiber ist nicht
die Abkehr von Atomkraft und nicht der Wandel von konventioneller
Stromerzeugung aus Kohle und Gas hin zu Energie aus Sonne, Wind-,
Wasserkraft sowie Biomasse. Die reine Förderung erneuerbarer
Energiequellen als Namensgeber der Ökostromumlage macht nächstes Jahr
40 Prozent aus. Sie rechtfertigt auch nur einen Bruchteil des
bevorstehenden Anstiegs. Den Löwenanteil dazu steuern andere Faktoren
bei: Die Ausweitung der Industrieprivilegien. Und vor allem das seit
2010 geltende Vermarktungssystem für erneuerbaren Strom, dem zufolge
die Umlage steigt, wenn der Strombörsenpreis sinkt. Einige Zahlen
machen deutlich, dass die Politik in den verschiedensten
Konstellationen entweder versagt hat - oder Abkassieren kühl
berechnetes Kalkül ist. Seit der Liberalisierung des Strommarktes
1998 hat sich die Summe aus Steuern, Abgaben und Umlagen auf jede
Kilowattstunde mehr als verdreifacht - von gut vier Cent auf nun mehr
als 14 Cent. Das übersteigt inzwischen sogar die Hälfte des gesamten
Privatkundenstrompreises. Die reinen Energiekosten wiederum sind mit
unter vier Cent günstiger als allein die EEG-Umlage - unglaublich,
aber wahr. Und auf jede Umlage, Abgabe und Stromsteuer wird noch der
volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Es ist Zeit zum
Handeln, nicht nur wegen der ungerechten Verteilung der Belastung,
sondern auch für eine glaubwürdige Energiepolitik. Wie immer sich die
neue Regierung zusammensetzt: Sie muss den Wahlkampfversprechen
schnell Reformen folgen lassen, die diese Bezeichnung verdienen.
Andernfalls bleibt es dabei, dass Rentner und Familien, Singles
genauso wie Händler und Gewerbetreibende den Preis einer verfehlten
Politik zahlen und vielfach fragwürdige Privilegien Einzelner
finanzieren müssen.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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