DER STANDARD-Kommentar: "Amerikas Politik bleibt blockiert" von Eric Frey
Geschrieben am 17-10-2013 |
"Die USA werden nicht zahlungsunfähig, aber Obama kann
weiterhin wenig bewegen"; Ausgabe vom 18.10.2013
Wien (ots) - Amerikanische Innenpolitik ist zwar etwas verrückt,
aber doch nicht völlig wahnsinnig. Das ist die Schlussfolgerung, die
man aus dem Drama der vergangenen drei Wochen in Washington ziehen
kann. Die größte Volkswirtschaft der Welt bleibt zahlungsfähig, die
Verwaltung kann wieder arbeiten, und die Schäden für Finanzmärkte und
Volkswirtschaft dürften sich trotz aller pessimistischen Schätzungen
in Grenzen halten. Dabei hätte es auch ganz anders ausgehen können.
Die Republikaner sind erst gegenüber der Obama-Regierung
eingeknickt und haben auf praktisch alle ihre Forderungen verzichtet,
nachdem sich die Mehrheitsfraktion im Repräsentantenhaus auf keinen
gemeinsamen Gesetzesentwurf mit härteren Bedingungen einigen konnte.
Hätte John Boehner seine Truppen zusammengehalten, dann wäre das
Tauziehen um die Anhebung der Schuldengrenze über den Donnerstag
hinausgegangen. Dann hätte man gesehen, ob sich die
Schreckensszenarien der Märkte tatsächlich bewahrheiten. So wissen
wir immer noch nicht, ob die Weltwirtschaft am Mittwochabend am
Abgrund stand - und werden es wahrscheinlich nie erfahren. Obwohl der
vom Senat ausgehandelte Kompromiss nur bis Jänner und Februar hält,
ist es unwahrscheinlich, dass die Republikaner es noch einmal wagen,
mit der Schuldengrenze zu hasardieren. Zu steil war ihr Absturz in
den Meinungsumfragen, zu schmerzhaft die politische Niederlage. Das
wäre eine gute Nachricht für die Finanzmärkte. Nun würde man glauben,
dass die Republikaner zur Besinnung kommen und Boehner von der
unsinnigen Regel abgeht, nur dann über Gesetze abstimmen zu lassen,
wenn es eine "Mehrheit in der Mehrheit" gibt. In der Nacht zum
Donnerstag hat die Mehrheit der Fraktion gegen die Einigung und für
den Staatsbankrott gestimmt. Als De-facto-Parteichef kommt Boehner
aus der Konfrontation sogar gestärkt heraus, denn er hatte vor dem
Totalangriff auf Obamacare gewarnt und dennoch mutig den Kampf für
seinen rechten Flügel geführt. Aber das heißt nicht, dass er den
offenen Bruch mit der Tea Party wagen und eine Koalition aus
moderaten Republikanern und Demokraten zimmern wird. Und auch die
rechten Heißsporne werden sich nicht geschlagen geben. Selbst in der
Niederlage sehen sie sich als Sieger. Ihr Denken wird nicht von
langfristigen Strategien bestimmt, sondern von kurzfristigen Chancen
auf Wiederwahl. Nun hoffen sie, in erzkonservativen Wahlbezirken für
ihre Standfestigkeit gefeiert zu werden. Deshalb ist kein Ende der
dysfunktionalen amerikanischen Innenpolitik zu erwarten. Die
Chancen, dass der neuen Budgetkommission ein großer Kompromiss
gelingt, der eine Steuerreform, eine langfristige Eindämmung der
Sozialversicherungsausgaben und eine Korrektur der durch den
auto-matischen "Sequester" verursachten schädlichsten
Ausgabenkürzungen beinhaltet, sind so gut wie null. Daher kann sich
auch Obama über seinen Sieg nur bedingt freuen. Erst wenn ihre
Radikalopposition die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus
kostet, könnte sich der Würgegriff der Tea Party auf Partei und
Nation lösen. Doch damit ist bei den Kongresswahlen 2014 noch nicht
zu rechnen. Vielleicht bringen eine weitere verlorene Präsidentenwahl
und eine Neuordnung der Wahlbezirke durch die Bundesstaaten eine
Wende. Bis dahin bleibt die Vernunft in Washington wohl Mangelware.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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