Lausitzer Rundschau: Die SPD auf dem Weg in die Große Koalition: Aufgeblasene Backen
Geschrieben am 20-10-2013 |
Cottbus (ots) - Der Geist von Gerhard Schröder scheint durch das
Willy-Brandt-Haus zu wehen. So selbstbewusst, oder besser: so selbst
überschätzend positioniert sich die Sozialdemokratie derzeit für die
am Sonntagnachmittag beschlossenen Koalitionsverhandlungen mit der
Union. Wie Schröder bei seinem legendären TV-Auftritt nach der knapp
verlorenen Bundestagswahl im Jahr 2005. Man hat nicht den Eindruck,
dass die Genossen das Wahlergebnis vom 22.September tatsächlich
verstanden haben. Zur Erinnerung: Die SPD hat ihr zweitschlechtestes
Resultat bei Bundestagswahlen eingefahren, mehr als 15 Prozent
trennen sie von der Union. Sie bläst aber die Backen auf wie der
strahlende Gewinner. Ein Wort der Selbstkritik am eigenen Wahlkampf
und der eigenen inhaltlichen Strategie ist in den vier Wochen nach
dem Urnengang kaum zu hören gewesen. Stattdessen wird wie gestern
viel von Augenhöhe und vom Politikwechsel geredet, den man jetzt in
den Verhandlungen mit der Union erreichen will. Nur hat der Bürger
diesen Wechsel erkennbar mehrheitlich nicht gewählt, also auch nicht
gewollt. Etwas mehr Demut seitens der Sozialdemokraten wäre daher
durchaus angebracht. Gleichwohl kann man verstehen, weshalb die
Spitzengenossen so auftrumpfen und der Union eine Forderung nach der
anderen präsentieren. Sigmar Gabriel & Co. müssen der eigenen Basis
die Koalition mit der ungeliebten Merkel-Partei schmackhaft machen,
in dem sie die Umsetzung politischer Kernforderungen zur
Voraussetzung für ein Bündnis erheben. Mindestlohn,
Finanztransaktionssteuer, Nein zu sozialen Einschnitten - für die
Union wird in den nächsten Wochen die eine oder andere Kröte dabei
sein, die sie schlucken soll. Der Trumpf der SPD ist: CDU/CSU
haben keinen anderen Partner in Aussicht, nachdem die Grünen sich
(erst einmal) von Schwarz-Grün verabschiedet haben. Das lässt die
Sozialdemokraten stärker erscheinen, als sie in Wahrheit sind.
Allerdings ist es in der Politik ähnlich wie beim Skat: Wer sein
Blatt überreizt, verliert am Ende. Soll heißen: Es ist ein
Trugschluss zu glauben, dass in der Union jeder bereit ist, die Große
Koalition um jeden Preis einzugehen. Ein schwarz-rotes Bündnis ist in
beiden Lagern kein Selbstläufer. Das belegt die heftige Kritik des
immer noch starken Wirtschaftsflügels bei CDU und CSU an einem
Mindestlohn von 8,50 Euro. Auch Angela Merkel wird noch ihre liebe
Mühe und Not haben, von den Sozialdemokraten geprägte Ergebnisse
gegenüber ihrer Basis zu vertreten. Im Moment wird nicht mehr darüber
geredet, aber die Neuwahl-Option liegt immer noch auf dem Tisch, wenn
inhaltlich nicht überzeugend passend gemacht werden kann, was an
vielen Stellen noch nicht passt. Und würde sie gezogen werden wegen
sich selbst überschätzender Genossen, muss man kein Prophet sein, um
zu ahnen, wer die Wahl erneut gewinnen dürfte: Angela Merkel.
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