Westdeutsche Zeitung: Warum Vettels Triumph viele kalt lässt =
von Olaf Kupfer
Geschrieben am 25-10-2013 |
Düsseldorf (ots) - Wenn er siegt, schlägt ihm jetzt häufig
Missfallen entgegen. Wenn er Weltmeister wird, empören sich die
einen, die anderen zucken mit der Schulter. Der deutsche Rennfahrer
Sebastian Vettel wird morgen in Indien wohl zum vierten Mal Formel
1-Weltmeister. Vettel wird dann wie mechanisch den rechten
Zeigefinger heben und schmissig in den Teamfunk jubeln. Aber er wird
mit diesen standardisierten Riten emotional nur noch wenige
erreichen. Was ist da schief gelaufen?
Diese Republik hat viele Sportler zu Helden gefeiert. Schmeling
und Maske, Graf und Becker, Beckenbauer oder Vettels Branchenkollegen
Michael Schumacher. Aber im Fall des 26-jährigen Heppenheimers
versagt sie die tiefe Zuneigung - obwohl Vettel der jüngste
Vierfach-Weltmeister aller Zeiten sein wird. Das hat Gründe.
Der dauerhafte Erfolg macht auch den Zuschauer satt. Nach dem
x-ten (und in Wahrheit sind es schon 35) Grand-Prix-Erfolg muss mehr
kommen als die am Reißbrett geplante Fahrt auf das Podium. Wer die
Menschen nicht auch ein Stück weit an seinem Leben teilhaben lässt,
wer keine Schwäche zeigt, wird sie nicht hinter sich versammeln. "Er
konzentriert sich nur auf seine Aufgaben und ignoriert all die
Blödheiten drum herum", sagt Helmut Marko, Motorsportdirektor von Red
Bull. Man könnte auch sagen: Vettel ist die neutrale Person, die eine
Branche voller Mythen mit all seiner Nüchternheit komplett zu
entzaubern droht.
Vettel zahlt seine Steuer in der Schweiz und nicht in Deutschland,
er hat eine Freundin, die man kaum kennt. Er sagt selten Sätze, die
es in die Schlagzeilen schaffen. Und wenn doch, dann nimmt er sie
tags darauf wieder zurück. Die Kanten, anhand derer man zu ihm
aufklettern könnte, gibt es nicht. Dazu gewinnt der verhinderte Held
für Red Bull, für ein Team, das den Charme der Fußballer aus
Wolfsburgund Hoffenheim auf sich vereint. Viel Geld, wenig Tradition.
Team und Fahrer sind eine sterile Gesamtmaschinerie, die in Zahlen
und Statistiken denkt. Nur ein Wechsel auf Tradition würde dem
begnadeten Rennfahrer eine Chance auf Heldentum gewähren. Dumm nur:
Vettel hat seinen Vertrag just bis 2015 verlängert.
Sie passen so gut zusammen.
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Westdeutsche Zeitung
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