Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Reinhard Zweigler zu Koalitionsverhandlungen
Geschrieben am 29-10-2013 |
Regensburg (ots) - Auch die längste Reise beginnt mit einem ersten
Schritt, sagt ein chinesisches Sprichwort. So gesehen haben die
Unterhändler von Union und SPD gestern in vielen wichtigen
Themenbereichen - von Arbeit, Verkehr, Wohnen bis zu Rente, Familie,
Umwelt, Landwirtschaft oder Verbraucherschutz - eine beschwerliche
Reise begonnen. Das große politische Feilschen auch. Was eine
Einigung von Schwarz und Rot so schwer macht, sind die zum Teil
diametral unterschiedlichen Positionen der Verhandler von Union und
SPD. Da passt vieles zusammen wie Feuer und Wasser. Hinzu kommt, dass
sich an den Verhandlungstischen Politiker gegenübersitzen, die
eigentlich gern den Ministerposten des anderen hätten. Es geht nicht
nur um das "große Ganze", so wunderbar das in Sonntagsreden klingen
mag, sondern immer auch um Macht, Ämter, Parteipolitik. Nur eben darf
diese Seite nicht alles andere dominieren. Politiker ohne ein
gesundes Verhältnis zur (Gestaltungs-)Macht taugen nicht viel.
Solche, die nur nach der Macht schielen und ihr alles unterordnen,
sind sogar völlig fehl am Platze. Das Kunststück, das beide Seiten in
den kommenden Wochen hinbekommen müssen, ist, solche Kompromisse
auszuhandeln, die Deutschland voranbringen - im Innern wie im
globalen Maßstab - die den Menschen nutzen und die obendrein auch
noch bezahlbar sind. Das klingt nicht nur wie die Quadratur des
Kreises, die bekanntlich nicht möglich ist - es läuft teilweise wohl
auch darauf hinaus. Diverse "heiße Eisen" liegen dabei vor allen
Arbeitsgruppen. Und eine kritische öffentliche Begleitung der
Verhandlungen hinter verschlossenen Türen tut not. Schon damit sich
die Groß-Koalition nicht nur als groß im Geldausgeben erweist. Erste
besorgniserregende Anzeichen dafür gibt es bereits. Beispiel Rente:
Die gesetzlichen Rentenkassen sind durch sprudelnde Beiträge infolge
der guten Wirtschaftslage übervoll. Doch statt die Gelder der
Beitragszahler zurückzugeben, plant die Schwarz-Rot offenbar, aus
diesem Topf neue Sozialleistungen zu finanzieren. Eine höhere
Mütterrente etwa. Die freilich ist notwendig und überfällig, um die
Erziehungsleistungen von Frauen, deren Kinder vor dem völlig
willkürlich ausgewählten Datum 1. Januar 1992 geboren wurden, bei den
Altersbezügen so zu stellen, wie jüngere Mütter auch. Vielleicht
hilft ein Stufenplan weiter. Beispiel Verkehr, wo in einem rein
bayerischen Duell der amtierende Verkehrsminister Peter Ramsauer aus
Oberbayern mit seinem SPD-Pendant aus Niederbayern Florian Pronold
verhandeln muss. Schon vor Jahren haben die beiden in einer großen
Koalition über das Thema Novelle der Erbschaftssteuer gestritten.
Ohne Fortune. Doch nun sind die beiden Verkehrs-, Bau- und
Wohnungsexperten von Union und SPD zum Erfolg verdammt. Während sich
die allgemeine Aufmerksamkeit und mediale Erregung noch viel zu sehr
auf das Reizthema Pkw-Maut für Ausländer konzentriert, geht es in
Wirklichkeit um viel größere Beträge. Deutschland, das immer noch
stolz sein kann auf seine Infrastruktur, muss dringend etwas gegen
marode Brücken und bröckelnde Autobahnen tun. Die seit Jahren
sträflich vernachlässigten Investitionen in Straßen, Kanäle, in
Strom- oder Kommunikationsnetze müssen hochgefahren werden. Zumindest
in diesem Punkt sind sich Schwarz und Rot im Grunde einig.
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