Menschen als "Abschaum" bezeichnet /
Politischer Kommentar geht zu weit
Geschrieben am 05-12-2013 |
Berlin (ots) - Die drei Beschwerdeausschüsse des Deutschen
Presserats tagten vom 03. bis 04.12.2013 in Berlin. Sie behandelten
insgesamt 103 Beschwerden. 6 Veröffentlichungen wurden gerügt.
Kommentar zu politischer Auseinandersetzung geht zu weit
Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG erhielt eine öffentliche Rüge für einen
Kommentar. Darin setzte sich die Redaktion mit Kundgebungen von NPD
und linker "Antifa" im Zusammenhang mit der geplanten Einrichtung
eines Asylbewerberwohnheims in einem kleinen Ort bei Leipzig
auseinander. Der Kommentator hatte die Ansicht vertreten, "der braune
und rote Abschaum" solle sich von dem Ort fern halten. Der
Beschwerdeausschuss war der Ansicht, dass die Bezeichnung "Abschaum"
gegen Ziffer 9 des Pressekodex verstößt, weil sie beleidigend ist.
Menschen als "Abschaum", also Abfall, zu bezeichnen, verletzt die
Menschenwürde der Betroffenen.
Die Ziffer 9 (Schutz der Ehre) lautet:
Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen
Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.
Diskriminierende Überschrift
Die Zeitung JUNGE FREIHEIT wurde wegen eines Verstoßes gegen das
Diskriminierungsverbot (Ziffer 12 des Pressekodex) gerügt. Die
Zeitung hatte sich mit einer Entscheidung des Landessozialgerichts
Essen beschäftigt, der zufolge Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien
Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland haben. In der
Überschrift hatte die Zeitung formuliert: "Zigeuner können
Sozialhilfe bekommen" und damit suggeriert, das Gericht habe eine
Sonderregelung für eine bestimmte ethnische Minderheit im Sozialrecht
geschaffen. Für die willkürliche Heraushebung dieser Minderheit durch
die Redaktion sah der Ausschuss keinen sachlichen Grund. Sie wirkt
diskriminierend.
Die Ziffer 12 (Diskriminierungen) lautet: Niemand darf wegen
seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu
einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe
diskriminiert werden.
Schwerer Eingriff in Privatsphäre
Eine nicht-öffentliche Rüge sprach der Ausschuss gegen BILD Online
aus. Das Medium hatte darüber berichtet, dass eine namentlich
genannte Landtagsabgeordnete in eine psychiatrische Klinik
eingewiesen worden war. Auch der angebliche Hintergrund der
Einweisung wurde mitgeteilt. Körperliche und psychische Erkrankungen
gehören gemäß Ziffer 8, Richtlinie 8.6 des Pressekodex in die
Privatsphäre. In der Regel soll darüber nicht ohne Zustimmung des
Betroffenen berichtet werden. Im kritisierten Fall lag die
Einwilligung der Betroffenen offenbar nicht vor.
Kopplungsgeschäft: Bericht nur gegen Anzeige
Wegen einer Verletzung des Grundsatzes der klaren Trennung von
Redaktion und Werbung wurde der DINGOLFINGER ANZEIGER gerügt. Die
Zeitung hatte die redaktionelle Ankündigung einer
Kabarettveranstaltung von der Schaltung einer Anzeige abhängig
gemacht. Eine solche Forderung ist ein grober Verstoß gegen Ziffer 7
Pressekodex, da eine redaktionelle Berichterstattung nicht an eine
finanzielle Gegenleistung gekoppelt werden darf.
In einem ähnlich gelagerten Fall erhielt die Modellbauzeitung
RC-FREIZEIT eine Rüge. Der Chefredakteur der Publikation hatte einem
Leser, der nach Testberichten zu bestimmten Produkten gefragt hatte,
mitgeteilt, dass man über diese Produkte weder berichtet habe noch
berichten werde. Grund sei, dass die Hersteller in der Zeitschrift
keine Anzeigen schalteten. Redaktionelle Berichterstattung auf diese
Weise von Anzeigenaufträgen abhängig zu machen, ist nicht mit dem
Trennungsgrundsatz nach Ziffer 7 Pressekodex vereinbar.
Die Ziffer 7 (Trennung von Werbung und Redaktion) fordert: Die
Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass
redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder
geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche
wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten
beeinflusst werden. Verleger und Redakteure wehren derartige Versuche
ab und achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text
und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen,
die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar
sein.
PR-Material nicht als solches gekennzeichnet
Gegen BILD Online sprach der Beschwerdeausschuss eine öffentliche
Rüge wegen eines Artikels über die medikamentöse Therapie bei
vorzeitigem Samenerguss aus. Die Redaktion hatte darin umfangreich
Material einer für den Medikamentenhersteller tätigen PR-Agentur
wörtlich übernommen und nicht entsprechend gekennzeichnet. Außerdem
wurden Preis und Handelsname des Medikaments genannt. Der Ausschuss
sah darin einen Verstoß gegen das Verbot der Schleichwerbung und die
Sorgfaltspflichten im Umgang mit PR-Material (Richtlinie 7.2 des
Pressekodex).
Statistik
Die Sanktionen: 5 öffentliche Rügen, 1 nicht-öffentliche, 18
Missbilligungen, 21 Hinweise. 42 Beschwerden wurden als unbegründet
erachtet. In 4 Fällen wurden die Beschwerden als begründet angesehen,
auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet.
Ansprechpartnerin für die Presse: Edda Kremer, Tel. 030-367007-13
Pressekontakt:
Deutscher Presserat
Telefon: 030-367 00 7-0
Fax: 030-367 00 7-20
E-Mail: info@presserat.de
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