DER STANDARD-Kommentar: "Zuckerbrötchen und Peitscherl" von Gerald John
Geschrieben am 05-12-2013 |
Wie SPÖ und ÖVP auf Druck von Lobbys wichtige Pensionsreformen
vergeigen (Ausgabe vom 6. 12. 2013)
Wien (ots) - Der Ruf nach Reformen ist ihr ?tägliches Mantra.
Verkrustete Strukturen wollen sie aufbrechen, alte Zöpfe abschneiden,
eingefahrene Denkmuster hinwegfegen. Gar nicht "mutig" genug können
die Einschnitte sein - solange es um die anderen geht. Soll hingegen
die eigene Klientel einen Beitrag leisten, verpufft der Eifer
schlagartig: Da wird rasch die Apokalypse ausgerufen.
Es sind mit Einfluss in der ÖVP ausgestattete
Wirtschaftsvertreter, die in der Pensionsdebatte das Florianiprinzip
auf die Spitze treiben. Seit Jahren lobbyieren sie gegen ein
Bonus-Malus-System, das Unternehmen zum pfleglichen Umgang mit
älteren Arbeitnehmern erziehen soll - bis zuletzt mit -Erfolg. Zwar
haben sich die Koalitionsverhandler zu solch einem Modell
durchgerungen, doch die bisherigen Pläne deuten auf eine Alibi-Aktion
hin. Zu magerem Zuckerbrot gesellt sich da maximal ein Peitscherl.
Die Industriellenvereinigung hindert das nicht daran, sich über
einen dreisten Anschlag auf die Wirtschaft zu echauffieren. Ihre
Argumente zeugen von vorsätzlicher Ignoranz in Bezug auf die
Zusammenhänge: Der Versuch, auf diese Weise Jobs für ältere Menschen
zu retten, habe nichts mit dem Pensionsproblem zu tun, heißt es - als
strömten die Massen allein aus freiem Willen in die Frühpension. Es
stimmt schon, der frühe Ruhestand gilt manchem als Gipfel der
Glückseligkeit, doch oft genug helfen die Arbeitgeber tatkräftig
nach. Sie tun das nicht nur, indem sie - ob aus wirtschaftlicher Not
oder aus Profitgier - ältere und damit teure Beschäftigte auf Kosten
der Allgemeinheit abservieren, wobei die Methoden von nacktem Druck
bis zur Komplizenschaft mit dem Betriebsrat reichen. Viele Firmen
scheren sich auch wenig um Bedingungen, die Arbeit bis ins Alter
möglich machen - im Gegenteil: Wer eine gröbere Erkrankung
bekannt?gibt, gilt rasch als Auslaufmodell.
Dass ein Bonus-Malus-System deshalb ein Baustein ist, um das
Pensionsantrittsalter anzuheben, zeigen Erfahrungen aus Ländern wie
Finnland und den Niederlanden, wo weit mehr Ältere im Erwerb stehen.
Dort werden Firmen allerdings keine Pipifax-Beträge aufgebrummt, die
sie aus der Portokasse zahlen, sondern empfindliche Folgekosten für
Krankenstände, Arbeitslose und Invaliditätspensionen. Logisch, dass
die Motivation, für ältere Arbeitnehmer zu sorgen, stieg.
Dass es hierzulande nicht so weit kommen dürfte, liegt auch an der
Gegenseite, die selbst auf Maximalpositionen beharrt, statt
Verhandlungsspielraum zu nützen. Unter dem Druck der Gewerkschaft
pocht die SPÖ auf die spätestmögliche Erhöhung des
Frauenpensionsalters - und verkennt, dass der vermeintliche Benefit
für viele Frauen Benachteiligung in Form geringerer Karrierechancen
und niedriger Pensionen bedeutet.
Natürlich sind Arbeitsplätze für diese Zielgruppe derzeit alles
andere als reich gesät. Doch erstens lässt sich die Anhebung des
Antrittsalters auf die 65 Jahre der Männer in homöopathischen Dosen
vorantreiben. Zweitens bietet gerade ein scharfes Bonus-Malus-System
die Möglichkeit, für Frauen einen besonderen Schutz vor dem
unfreiwilligen Ausgedinge einzubauen.
Die Verhandler könnten sich einigen, indem beide Seiten beherzte
Schritte aus dem Bunker machen. Doch zu so viel Zugeständnis waren
sie bis dato nicht bereit. Getroffen haben sich SPÖ und ÖVP nicht in
der goldenen Mitte, sondern im Keller der kleinkarierten Kompromisse.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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