Badische Zeitung: Die elitäre Demokratie / Politische Willensbildung wird verzerrt, wenn Unterschicht Wahlen fernbleibt - Kommentar von Bernhard Walker
Geschrieben am 12-12-2013 |
Freiburg (ots) - Deutschland ist eine Demokratie - aber eine
Demokratie mit Schlagseite. War es früher für die allermeisten
selbstverständlich, zur Wahl zu gehen, enthalten sich heute viele der
Stimme - vor allem in der Unterschicht. Die Herrschaft des Volkes
droht so zu einer Angelegenheit der Eliten zu werden.
Bei der der Bundestagswahl 1972 gaben mehr als 91 Prozent der
Bürger ihre Stimme ab. Und von ihnen entschieden sich wiederum knapp
91 Prozent für CDU/CSU oder SPD. Inzwischen liegt die Wahlbeteiligung
selbst bei Bundestagswahlen nur noch bei etwa 70 Prozent. Und die
Bindungskraft der Volksparteien schwindet.
Wie eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, bleiben vor
allem die Menschen aus der Unterschicht den Wahlkabinen fern. Bei der
politischen Willensbildung verstärkt sich so die Dominanz der Mittel-
und Oberschicht (sie geht weiter fleißig wählen). Die unteren
Schichten verschaffen sich auch deshalb politisch immer weniger
Gehör.
Eine Demokratie, an der ein größerer Teil der Bürger dauerhaft
nicht teilnimmt, ist aber in keinem guten Zustand. Natürlich lebt sie
nicht allein von Wahlen, sondern auch von bürgerschaftlichem
Engagement in Vereinen, Kirchen, Elterngruppen, Protestinitiativen
oder Verbänden jedweder Art. Nur sind auch dort die Ärmeren weitaus
weniger präsent als Bürger aus der Mittelschicht. Wie also lässt sich
verhindern, dass Demokratie zu einer Zwei-Drittel Veranstaltung wird,
bei der viele den Glauben verlieren, sie könnten Einfluss darauf
nehmen, was "die da" im Gemeinderat, im Landtag oder Bundestag so
treiben?
Ohnehin ist die Glanzzeit der Volksparteien vorbei. Dafür ist die
Gesellschaft heute zu vielgestaltig. Diese Vielfalt aber zwingt zu
Kompromissen. Die SPD zum Beispiel ist in der paradoxen Lage, dass
viele Bürger die "Agenda 2010" als notwendig betrachten, genauso
viele aber meinen, dass die Sozialdemokraten damit ihre Ideale
aufgeben hätten. Dass viele aus der Unterschicht nicht wählen gehen,
schwächt gerade die SPD, die deshalb jetzt in der Großen Koalition
versucht, den "Agenda"-Graben zu ihrer traditionellen Anhängerschaft
zu schließen. Ob ihr dies gelingt, ist offen. Die Mitgliederbefragung
jedenfalls ist ein positives Signal. Wünschenswert wären auch
Volksentscheide und mehr politische Bildung. Denn die Bundesrepublik
ist ein komplexes Staatsgebilde mit komplizierten
Entscheidungsprozessen. Wer da um die Mühen der Mehrheitsfindung
weiß, ist eher immun gegen überzogene und damit leicht zu
enttäuschende Erwartungen.
Auch die Medien könnten ihren Teil zur Besserung beitragen. Wer
den Eindruck erweckt, als seien alle Politiker unfähig und/oder nur
Handlanger irgendwelcher Interessengruppen, leistet einem Vorurteil
Vorschub - dem Vorurteil, dass es sinnlos sei, wählen zu gehen, weil
die Stimmabgabe ohnehin nichts ändere.
Pressekontakt:
Badische Zeitung
Anselm Bußhoff
Telefon: 07 61 - 4 96-0
redaktion@badische-zeitung.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
502266
weitere Artikel:
- Kölner Stadt-Anzeiger: NRW-Finanzminister lehnt Rente mit 63 für Beamte ab - Borjans erinnert Bedienstete an bestehende Privilegien Köln (ots) - NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans spricht
sich gegen eine Übertragung der "Rente mit 63" auf die
Beamtenpensionen aus: "Sie ist angesichts der Besonderheiten im
Beamtenrecht sachlich nicht geboten", sagte der SPD-Politiker dem
"Kölner Stadt-Anzeiger" (Freitagausgabe). Für Beamte gebe es völlig
andere Versorgungsregelungen und Ansprüche etwa bei der
Krankenversicherung als für den Rest der Arbeitnehmer. Im
schwarz-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass langjährig
Versicherte, die 45 Beitragsjahre vorweisen mehr...
- Saarbrücker Zeitung: Fukushima kämpft weiter mit ungelösten Problemen - Grünen-Energie-Expertin Kotting-Uhl besuchte Ort der Kernschmelze Saarbrücken (ots) - Auch zweieinhalb Jahre nach der
Atomkatastrophe im japanischen Fukushima steht man dort nach Angaben
der atompolitischen Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, vor
einer Fülle ungelöster Probleme.
"Die höchste Strahlung besteht mit mehreren 100 Millisievert an
Block 3. Dort wird offensichtlich nicht aller geschmolzener
Kernbrennstoff gekühlt, weil niemand weiß, wo genau er liegt", sagte
Kotting-Uhl der "Saarbrücker Zeitung" (Freitag-Ausgabe).
Die Energieexpertin ist die erste deutsche Politikerin, mehr...
- LVZ: Thüringen: SPD-Ministerin Taubert grundsätzlich bereit zur Spitzenkandidatur und zu vorurteilsfreien Gesprächen über die Ministerpräsidenten-Wahl Leipzig (ots) - Thüringens SPD-Sozialministerin Heike Taubert
steht als SPD-Spitzenkandidatin für die kommende Landtagswahl zur
Verfügung und plädiert dabei für einen völlig offenen Kurs in der
Koalitionsfrage. Gegenüber der "Osterländer Volkszeitung"
(Freitag-Ausgabe) warnte Heike Taubert zugleich vor dem raschen
Rückgriff auf vorgezogene Neuwahlen angesichts einer langen Liste von
Affären und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegenüber einigen
Regierungsmitgliedern. Man könne nicht alle zwei Jahre wegen eines
geforderten Neuanfangs mehr...
- Neue OZ: Gespräch mit Norbert Lammert, Bundestagspräsident Osnabrück (ots) - Bundestagspräsident nennt hohe Beteiligung an
SPD-Mitgliedervotum "bemerkenswert"
Lammert: Kein Muster für künftige Koalitionsvereinbarungen -
Warnung vor "übertriebenen" Schlussfolgerungen
Osnabrück.- Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die sich
abzeichnende hohe Beteiligung am SPD-Mitgliedervotum zum
Koalitionsvertrag als bemerkenswerten Beleg für den Wunsch vieler
Parteimitglieder nach Teilhabe bezeichnet. In einem Gespräch mit der
"Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag) warnte Lammert aber vor mehr...
- Nahles: "Wir setzen voll auf Plan A" (VIDEO) Bonn/Berlin (ots) -
Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles gibt es keine Alternative
zu Schwarz-Rot: "Wir haben keinen Plan B, wir setzen voll auf Plan
A", sagte sie im phoenix-Interview. Dem Ergebnis des
SPD-Mitgliederentscheids sieht Nahles zuversichtlich entgegen. Sie
habe den Eindruck, dass die Mitglieder mit den
Verhandlungsergebnissen zufrieden gewesen seien.
In Bezug auf die heutige Ausgabe der Zeitung Die Welt, laut der
jede zehnte Stimme im Mitgliederentscheid ungültig sei, äußert Nahles
Verwunderung: "Das wissen mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|