Badische Zeitung: Pufferzone zum Osten / Die EU-Politik gegenüber Ukraine und Türkei
Leitartikel von Daniela Weingärtner
Geschrieben am 16-12-2013 |
Freiburg (ots) - Mit Reisefreiheit und Handelserleichterungen
versucht die EU, die Ukraine und die Türkei enger an sich zu binden
und so Richtung Osten eine Pufferzone zu schaffen. Doch die Menschen
in den Nachbarländern wollen nicht Partner, sondern Vollmitglieder
der Union werden. Das kann nur in Enttäuschung enden. In die
europäische Ostpolitik kommt Bewegung. In Brüssel trafen sich die
Außenminister unter Führung der Hohen Vertreterin Catherine Ashton
mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow und machten ihm klar,
dass sie sich russischem Druck nicht beugen werden. Das
Partnerschaftsangebot gegenüber der Ukraine bleibt auf dem Tisch. Die
EU-Botschaft an den ukrainischen Präsidenten Victor Janukowitsch und
seine Landsleute lautet klipp und klar: Ihr müsst euch nicht Moskau
an den Hals werfen, um die drohende Staatspleite abzuwenden. Wir
Europäer stehen auch für finanzielle Nothilfe bereit. In Ankara
unterzeichnete zur gleichen Zeit Innenkommissarin Cecilia Malmström
ein Rücknahmeabkommen mit der Türkei und stellte als Gegenleistung
Visafreiheit für türkische Touristen und Geschäftsleute in Aussicht.
In beiden Fällen - beim Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und
bei den Verhandlungen mit der Türkei - handelt es sich um
Tauschgeschäfte. Länder wie Griechenland und Polen, die an den
Außengrenzen der EU liegen, haben ein großes Interesse daran, die
negativen Folgen des Armutsgefälles nicht mehr allein tragen zu
müssen. Durch Partnerschaftsabkommen soll eine Pufferzone zwischen
dem reichen Westen und dem krisen- und kriegsgeplagten Osten
entstehen. Wenn die Nachbarn wirtschaftlich prosperieren,
innenpolitisch stabil sind und ein Mindestmaß an Menschenrechten
einhalten, können sie - so zynisch das klingt - als Schleuse dienen,
in der ein Teil des Menschenstroms Richtung Europa hängenbleibt.
Deshalb hilft die EU unter anderem mit Knowhow und Geld beim Ausbau
der Grenzanlagen. Als Belohnung für ihre Dienste erhalten die
Nachbarn Handelserleichterungen und die Aussicht auf engere Anbindung
an Europa bis hin zur Mitgliedschaft. Dass die EU in ihrem Bemühen um
loyale und innenpolitisch stabile Bündnispartner regelmäßig mehr
verspricht, als sie halten kann, lässt sich seit Jahrzehnten in der
Türkeipolitik beobachten. Seit 1963 wird den Menschen dort in
Aussicht gestellt, dass sie eines Tages EU-Bürger werden. Doch außer
ein paar halbherzigen Verhandlungsrunden ist bislang nichts dabei
herauskommen. Die proeuropäische Stimmung dort ist wegen der so oft
enttäuschten Hoffnungen und wegen des Gefühls, vertröstet, abgespeist
und gedemütigt zu werden, inzwischen verflogen. In der Ukraine
könnte das Gleiche geschehen. Seit Wochen besuchen Politiker aus
allen Teilen der EU den zentralen Demonstrationsplatz in Kiew und
versprechen den dort ausharrenden Menschen "eine europäische
Perspektive". Am Sonntag schloss sich sogar US-Senator John McCain
dieser Zusicherung an - als hätte er mitzuentscheiden. Diese
Sonntagsredner handeln fahrlässig, denn sie machen ihre Zuhörer
glauben, dass ihr Einsatz in der Winterkälte mittelfristig mit der
EU-Mitgliedschaft belohnt werden könnte. Doch die Mehrheit der
Europäer lehnt eine EU-Erweiterung ab. Angesichts wachsender
Europaverdrossenheit, die auch mit der unverdauten Osterweiterung von
2004 und 2007 zusammenhängt, werden Europas Regierungen auf absehbare
Zeit nicht versuchen, ihren Wählern weitere "Neubürger" aufzuzwingen.
Wenn sie bei ihren Verhandlungspartnern glaubwürdig bleiben wollen,
müssen sie mit offenen Karten spielen. Auch auf das Risiko hin, dass
ihr Angebot einer "privilegierten Partnerschaft" nicht attraktiv
genug ist, um Mitbewerber wie Russland auszustechen.
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