Lausitzer Rundschau: Organspende im Zwiespalt
Man wird über eine Reform der Reform nachdenken müssen
Geschrieben am 15-01-2014 |
Cottbus (ots) - Die Erklärungen sind so rührend wie hilflos.
Vertrauensverlust durch die Organspendeskandale des Jahrs 2012 sei
der Grund für den drastischen Rückgang der Spendenbereitschaft in
Deutschland, heißt es. Wenn das stimmt, müsste die Lage ja mit
zeitlichem Abstand immer besser werden. Wird sie aber nicht. Nur noch
876 Spender im letzten Jahr, das ist ein fast schon historischer
Tiefststand. Über 11 000 Patienten stehen auf der Warteliste für
Niere, Herz oder Leber. Rund 1000 sterben jährlich, weil die Hilfe
für sie zu spät kommt. Und dennoch sind die grundsätzlich durchaus
spendenbereiten Deutschen entweder so hartherzig oder so faul oder so
misstrauisch, dass sie das kleine Kärtchen nicht ausfüllen.
Wahrscheinlich alles gleichzeitig. Da wird jedes Argument gesucht,
dass einem moralisch das Nein irgendwie erleichtert. Oder die eigene
Nichtbefassung mit dem Thema, die Nicht-Entscheidung. Kopf in den
Sand. Also jetzt die Organspendeskandale, die wenigen Einzelfälle,
die es gab. Das ist emotional absolut verständlich. Niemand
beschäftigt sich zu Lebzeiten gern mit seinem eigenen Tod. Und die
Vorstellung, ausgeweidet zu werden wie ein Ersatzteillager, ist
vielen unerträglich. Emotio siegt über Ratio. Deutschland hat bei der
letzten Reform des Transplantationsgesetzes 2012 aber erneut genau
auf diese Ratio, auf den Verstand, gesetzt. Nur wer zu Lebzeiten
zustimmt, ist Spender. Alle Bürger sollen aktiv angesprochen werden
und sich freiwillig entscheiden. Das Gegenmodell, praktiziert in
vielen Ländern, ist die Widerspruchsregelung: Wer nicht zu Lebzeiten
Nein sagt, gilt automatisch als Ja-Sager und also als Spender. Sie
wurde im Bundestag verworfen. Nun läuft die Werbekampagne des
Gesundheitsministeriums erst wenige Monate. Und noch haben nicht alle
von ihren Krankenkassen einen Brief mit der Aufforderung bekommen,
den Ausweis auszufüllen. Insofern muss tatsächlich noch etwas
gewartet werden, ob die Reform wirkt. Aber allzu lange darf es nicht
dauern, weil die Kranken nicht warten können. Wenn die Spenderzahlen
nicht spätestens in ein, zwei Jahren wieder nach oben gehen, wird man
über eine Reform der Reform nachdenken müssen. Wenn man schon nicht
den großen Schritt zur Widerspruchslösung wagt, dann muss man
zumindest das Wegducken schwerer machen. Und eine echte
Entscheidungssituation für jeden Bürger schaffen, nicht bloß einen
freiwilligen Appell. Organspender - Ja oder Nein?
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de
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