IVA: "Landwirten gehen bald die Pflanzenschutzmittel aus" /
Massiver Wirkstoffverlust durch EU-Regulierung droht / "Zulassungssystem steht vor dem Kollaps"
Geschrieben am 16-01-2014 |
Berlin (ots) - Der deutschen Landwirtschaft droht in den nächsten
fünf Jahren ein massiver Verlust bewährter Pflanzenschutzmittel. In
wichtigen Ackerkulturen wie Weizen wären Pflanzenkrankheiten nur noch
eingeschränkt oder in extremen Fällen gar nicht mehr zu bekämpfen.
Hintergrund dafür ist das 2009 von der Europäischen Union
beschlossene sogenannte Pflanzenschutzpaket, mit dem die Zulassung
und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln komplett neu geregelt wurde,
erläuterte der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) heute in Berlin.
"Nach etwas über vier Jahren Pflanzenschutzpaket müssen wir
ernüchtert feststellen: die Bürokratie ist gestiegen, die Behörden
sind überlastet und Innovationen werden behindert statt befördert.
Und noch düsterer ist der Blick nach vorne: wenn die EU bei der
Ausgestaltung des neuen Rechts ohne Rücksicht auf die
landwirtschaftliche Praxis vorgeht, droht bis Ende des Jahrzehnts ein
massiver Verlust an wirksamen Lösungen im Pflanzenschutz. Um diese
Verluste durch neue Produkte auszugleichen, sind die regulatorischen
Hürden zu hoch und die Zeit zu knapp", erklärte Dr. Helmut Schramm,
Präsident des IVA.
Ein Expertenteam des IVA hat Szenarien erarbeitet, die beziffern
sollen, was mögliche Wirkstoff-Verluste in Folge der
EU-Zulassungsverordnung 1107/2009 für die in Deutschland zugelassenen
Pflanzenschutzmittel in wichtigen Anbaukulturen bedeuten würden.
Die Ergebnisse haben selbst die Fachleute überrascht: Es droht,
dass von den zehn heute meistverkauften Getreidefungiziden neun aus
dem Markt verschwinden würden; gerade einmal ein Viertel der heute
eingesetzten Produkte wäre Ende des Jahrzehnts noch übrig. Auch bei
Mitteln gegen Krautfäule in Kartoffeln würde die Zahl der in
Deutschland verfügbaren Pflanzenschutzmittel halbiert. Bei den
Kartoffelherbiziden wäre in etwa fünf Jahren ebenfalls nur noch die
Hälfte der Produkte auf dem Markt, wodurch die Probleme zur
Vermeidung von Resistenzen weiter verschärft würden.
"Zahlreiche bewährte Wirkstoffe stehen in den kommenden Jahren zur
Wiederzulassung an. Wenn die EU-Kommission bei den Kriterien für die
sogenannten endokrinen Disruptoren wissenschaftliche Maßstäbe für die
Risikobewertung außer Acht lassen und die Belange der Landwirtschaft
keine Berücksichtigung finden würden, steht zu befürchten, dass
wichtige Produkte vom Markt gefegt werden könnten. Für diese
Situation gibt es keinen Plan B, da die Verluste durch neue,
innovative Produkte nicht ausgeglichen werden könnten", so Schramm
weiter. In Europa dauert die Entwicklung eines neuen
Pflanzenschutzwirkstoffs im Durchschnitt zehn Jahre und erfordert
Investitionen von rund 200 Millionen Euro.
Während das Agribusiness weltweit boomt und sich die Ausgaben für
Forschung und Entwicklung zwischen 1995 und 2013 mehr als verdoppelt
haben, gehen die Investitionen in neue Pflanzenschutzmittel für den
europäischen Markt zurück. So sind in der EU die Forschungsausgaben
nach einer Untersuchung der Beratungsgesellschaft Phillips McDougall
zwischen 2000 und 2010 sogar um 15 Prozent gesunken. Die Autoren der
Studie erklären diesen Rückgang vor allem mit den im weltweiten
Vergleich besonders hohen regulatorischen Hürden in Europa.
"Die EU hat zuletzt viel dazu beigetragen, das Klima für
Investitionen in neue Pflanzenschutzmittel zu verschlechtern, etwa
indem bewährte Insektizide aus kurzfristigen politischen Erwägungen
vom Markt genommen wurden. Aber auch die Behörden leiden unter den
neuen administrativen Anforderungen und der Unsicherheit. So stauen
sich derzeit noch fast 200 Zulassungsanträge bei den deutschen
Behörden - Anträge für Pflanzenschutzmittel, die somit der
Landwirtschaft nicht zur Verfügung stehen. Das System steuert auf den
Kollaps zu", kritisierte Schramm.
Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der
agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der
51 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung,
Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene
Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und
nachhaltige Landwirtschaft.
Pressekontakt:
Industrieverband Agrar e. V., Pressestelle
Martin May
Tel. +49 69 2556-1249 oder +49 151 54417692
Fax +49 69 2556-1298
E-Mail: may.iva@vci.de
http://www.iva.de
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