Ostthüringer Zeitung: Kommentar "Geduldsprobe um Afghanistan" von Dirk Hautkapp
Geschrieben am 26-01-2014 |
Gera (ots) - Afghanistans Noch-Präsident Hamid Karsai lässt auf
der Zielgeraden seiner zwölfjährigen Amtszeit wirklich nichts aus, um
die amerikanische Regierung auf die Palme zu bringen. Die Freilassung
von 70 Gefangenen, die Washington im Dunstkreis der Taliban verortet
und gerne weiter hinter Gittern gesehen hätte, ist nur ein Beweis
dafür, dass der einst als "Bürgermeister von Kabul" bespöttelte
Paschtune bis zur Präsidentenwahl Anfang April nur noch eines im
Sinne hat: Porzellan zu zerschlagen. Das ist gefährlich. Stand heute
ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass der amerikanische Präsident
wie 2011 im Irak gegen Jahresende zum Totalrückzug bläst. Karsai
weigert sich gegen den Willen des Stammesältesten-Parlaments Loja
Dschirga standhaft, ein zentrales Abkommen zu unterzeichnen. Darin
wird der Verbleib von cirka 10.000 ausländischen Soldaten ab 2015
zwischen Masar-I-Scharif im Norden und Kandahar im Süden geregelt:
Stabilitäts- statt Kampfeinsatz. Das Weiße Haus will die
Angelegenheit auch mit Rücksicht auf andere Truppensteller wie
Deutschland lieber heute als morgen in trockenen Tücher haben. Karsai
ignoriert logistische Fragen. Bei der Kraftprobe steht viel auf dem
Spiel. Ohne Nato-Truppen und internationale Hilfsorganisationen wird
sich nicht nur die Sicherheitslage am Hindukusch drastisch
verschlechtern. Auch Milliarden-Investitionen aus dem Ausland fielen
dann weg. Dabei kann die afghanische Wirtschaft noch längst nicht auf
eigenen Beinen stehen. Kommt Karsai nicht zügig zur Vernunft, könnte
Obama der Geduldsfaden reißen. Nutznießer wären die Taliban. Das kann
niemand wollen.
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