Börsen-Zeitung: Mensch und Markt, Kommentar zur Regierungserklärung von Angela Wefers
Geschrieben am 29-01-2014 |
Frankfurt (ots) - Erst der Bundespräsident und nun die Kanzlerin:
Erst vor zwei Wochen hatte Joachim Gauck in Freiburg, der Wiege der
Sozialen Marktwirtschaft, dieses Ordnungsprinzip für Wirtschaft und
Gesellschaft hochleben lassen. Nun wirbt auch Angela Merkel (CDU) für
eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft. Die erste
Regierungserklärung ihrer dritten Amtszeit nutzte Merkel für
grundsätzliche Überlegungen, wie Politik nach der Banken- und
Staatsschuldenkrise aussehen soll.
Der Mensch soll im Mittelpunkt politischen Handelns stehen - nicht
der Staat, nicht Verbände, nicht Partikularinteressen. Dafür steht
aus Merkels Sicht das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft. Es soll
ihr Kompass sein. Die milden Worte zur Menschlichkeit in der
deutschen Gesellschaft kommen nicht von ungefähr. Der politische
Wettbewerb treibt sie dazu.
Am Morgen hatte das Bundeskabinett das Rentenreformpaket von
Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) noch entgegen allen
Warnungen verabschiedet. Mit der kostspieligen Reform plündert die
Regierung die Rentenkasse und verschließt die Augen vor den
ökonomischen Folgen einer alternden Gesellschaft. Die SPD nimmt nun
für sich in Anspruch, dass sie Deutschland mit der Rentenreform
gerechter macht. Wo so viel Menschlichkeit im Spiel ist, dürfen CDU
und CSU nicht zurückstehen. Sonst liegt das Monopol für
Menschlichkeit bald bei den Sozialdemokraten.
Anders als Gauck, der das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft
noch als möglichen Exportschlager zur Inspiration empfahl, hat es
Merkel nun schon auf ihre Angebotsliste für Europa gepackt. Eine
starke europäische Finanzmarktregulierung und gestärkte Institutionen
sind die Antwort der Kanzlerin auf die Exzesse auf den Märkten und
die Spendierfreudigkeit europäischer Regierungen mit geliehenem Geld.
In der Tat braucht es dafür bzw. dagegen ein strenges Regelwerk.
Kanzlerin samt Kombattanten in CDU, CSU und SPD sollten sich aber
in Erinnerung rufen, was eigentlich genau das Soziale an der
Marktwirtschaft ist - folgt man dem Geist der Begründer dieses
Konzepts. Es ist gerade nicht die Sozialpolitik. Vielmehr setzt das
Konzept dem Modell der freien Marktwirtschaft ohne jegliches
Regulativ den Staat als Hüter der Ordnung entgegen. Der Staat setzt
den Rahmen, der Mensch agiert darin. Der Staat schützt nicht vor
Wettbewerb, sondern den Wettbewerb an sich. Mindestlohn,
Mietpreisbremse oder die Vorgabe von mehr Frauen in Aufsichtsräten
sind gerade das Gegenteil davon.
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