Aachener Zeitung: Kommentar
Der viel zu große Hut
Friedrich hatte im Kabinett nichts mehr zu suchen
Bernd Mathieu
Geschrieben am 14-02-2014 |
Aachen (ots) - Natürlich war dieser Mann nicht mehr haltbar.
Hans-Peter Friedrich musste am Freitag seinen ministrablen Hut
nehmen, der ihm ohnehin von Anfang an wegen Übergröße nicht passte.
Der Mann war nur ins Kabinett gekommen, weil er der CSU angehört und
aus Oberfranken stammt. Er steht für jenen typischen
Proporz-Minister, der wegen seiner geografischen und parteilichen
Herkunft und nicht wegen seiner Kompetenz ins Kabinett gehievt wurde.
Das hat seit Konrad Adenauer bundesrepublikanische Tradition. Sie
ist, pardon, Unsinn. Es könnte sich kein an Leistung und Effizienz
orientierter Arbeitgeber leisten, seine Führungskräfte nach Wohnort
in einem Stadtteil, nach Vereinszugehörigkeit und nach Dialekt
auszusuchen. Die Deutschland AG leistet sich das jedoch seit
Jahrzehnten bei jedem neuen Kabinett, und alle lächeln. Wer
tatsächlich etwas kann, aber aus dem falschen Landesverband stammt,
hat eben Pech gehabt. Früher gab es noch weitere Auswahlkriterien,
zum Beispiel die Religion. Das alles gehört in einem modernen
regierungsamtlichen Management auf den Müllhaufen verstaubter
Parteirituale. Skandalöse Fehlleistung Hans-Peter Friedrich war ein
schwacher Bundesinnenminister. Sein naiv-amateurhafter Umgang mit der
NSA-Abhöraffäre stellte nicht nur eine unzulässige Verharmlosung dar,
sondern eine skandalöse Fehlleistung. Friedrich agierte in der Art
eines überheblichen Frühstücksdirektors im Küchenkabinett einer
x-beliebigen Bananenrepublik. Ein Politiker mit derart ausgewiesenem
Hang zur Stümperei hätte schon nach der Bundestagswahl im neuen
Kabinett nichts mehr zu suchen gehabt. Das war - eigentlich - auch
der Bundeskanzlerin klar. Und deshalb bot sie ihm das
Landwirtschaftsministerium an, wohl in der Hoffnung, dass Friedrich
eine solche Demütigung nur mit Nichtannahme quittieren würde. Da
hatte sie nicht mit der Ignoranz dieses Herrn gerechnet, der
offensichtlich jedes Amt gerne annimmt. Fast zeitgleich informierte
der amtierende Herr Bundesinnenminister damals in der jovialen
Gutsherrenart des üblichen Vertuschens den SPD-Chef Sigmar Gabriel
mit Details der pikanten Edathy-Angelegenheit. Dass danach diese
Erkenntnisse an weitere Personen verbreitet wurden, steht
mittlerweile fest. Einige Plaudertaschen waren nicht zu bremsen. Alle
Landeskriminalämter waren ohnehin informiert. Nicht nur der
Staatsanwalt ist fassungslos. Wer lügt? Unabhängig davon wird nun zu
untersuchen sein, wer wann in welchem Umfang was wusste (in der
Regierung, zum Beispiel im Kanzleramt, und in der SPD-Spitze) und
welche Folgen für das Verfahren gegen den SPD-Bundestagsabgeordneten
das hatte. Und: Welchen Wahrheitsgehalt haben in diesem Debakel die
Aussagen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, die prompt
vom Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, zurückgewiesen wurden?
Wer lügt: Oppermann oder Ziercke? Welche Rolle spielten Sigmar
Gabriel und Frank-Walter Steinmeier? Der Fall entwickelt sich gerade
erst, und es könnte eine veritable Koalitionsaffäre daraus entstehen.
Unterdessen hörten wir auf niedrigstem Niveau die allseits bekannten
Solidaritätserklärungen. Friedrich habe ihr "volles Vertrauen", sagte
die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Auch der Ex-Minister
selber ist nach wie vor der "Überzeugung, politisch und rechtlich
richtig gehandelt" zu haben. Die Kanzlerin dankte ihm für seine
"aufrechte Haltung". Am Ende sind wahrscheinlich wieder die Medien
schuld.
Pressekontakt:
Aachener Zeitung
Redaktion Aachener Zeitung
Telefon: 0241 5101-389
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