Westdeutsche Zeitung: Die Affäre Edathy wird zu weiteren Rücktritten führen - Schwere Hypothek für die große Koalition
Ein Kommentar von Anja Clemens-Smicek
Geschrieben am 16-02-2014 |
Düsseldorf (ots) - Koalitionen sind keine Liebesheiraten. Das
haben uns zuletzt die vier streitintensiven Jahre der schwarz-gelben
Vorgängerregierung gelehrt. Dieser Umstand gilt aber umso mehr für
jene schwarz-rote Zweckgemeinschaft, die sich seit kaum neun Wochen
mehr schlecht als recht bemüht, Deutschland zu regieren. Ob bei den
Themen Mindestlohn, Zuwanderung oder Vorratsdatenspeicherung - eine
gemeinsame Strategie ist nicht zu erkennen. Als würde dieser
Führungsstil nicht schon ausreichen, die Politikverdrossenheit im
Land weiter zu fördern, sorgt der Skandal um Sebastian Edathy nun für
eine handfeste Vertrauenskrise in der Koalition. Dem Bürger stellt
sich die Frage: Was kann man von dieser Regierung überhaupt noch
erwarten?
Es scheint, als habe es sich bereits ausregiert. Nach dem
Rücktritt von Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich gilt die
Devise: Rette sich, wer kann. Doch mit gegenseitigen
Schuldzuweisungen, der Unions-Forderung nach eidesstattlichen
Erklärungen und Versuchen der SPD, die Affäre kurzerhand
abzumoderieren, ist es nicht getan. Die ganze unappetitliche
Geschichte um die mutmaßlichen Verfehlungen des
Ex-Bundestagsabgeordneten Edathy hat längst Dimensionen erreicht, die
Gift sind für unsere Demokratie. Es werden Zweifel am Zustand unseres
Rechtsstaates und seiner Organe gesät. Das ist fatal.
Politisch zumindest ist nun die SPD am Zuge. Sie muss endlich
Fragen beantworten, wer wann was wusste und wer wem gegenüber
Amtsgeheimnisse ausplauderte. Sollte jemand aus der SPD-Spitze Edathy
tatsächlich vorgewarnt haben, wäre er oder sie politisch nicht zu
halten. Sicher sein darf man, dass CSU-Chef Horst Seehofer nicht eher
Ruhe geben wird, bis ein Mitglied der SPD-Spitze seinen Hut nimmt.
Heißer Kandidat ist da Fraktionschef Thomas Oppermann. Sigmar Gabriel
hat zwar ebenfalls die Vertraulichkeit des Wortes gebrochen, doch er
ist offenbar sakrosankt. Will die Kanzlerin an der großen Koalition
festhalten, ist er das entscheidende Bindeglied. Eine Garantie für
einen Neustart von Schwarz-Rot gibt es aber nicht. Die Causa Edathy
wird zur schweren Hypothek für die große Koalition. Vorzeitige
Scheidung nicht ausgeschlossen.
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