Ostthüringer Zeitung: Knut Pries kommentiert: Nadelstiche gegen Ukraine
Geschrieben am 19-02-2014 |
Gera (ots) - Die EU versucht es angesichts der Gewaltorgie in Kiew
mit Sanktionen gegen das Regime Janukowitsch. Gut so. Man muss nicht
denen, die einen Nutzen aus der Unterdrückung ziehen, auch noch
behilflich sein, die Früchte ihrer Brutalität im Ausland zu genießen.
Den ein oder anderen Systemprofiteur mag der Frust über ein
gesperrtes Konto nachdenklich machen, wie weit er es mit der
Unterstützung des herrschenden Clans treiben soll. Der ersehnte
Sofort-Effekt - Beendigung der Gewalt, Start eines politischen
Veränderungsprozesses mit zivilen Mitteln - ist damit indes nicht zu
erzielen. Von der nachhaltigen Demokratisierung der ukrainischen
Gesellschaft ganz zu schweigen.
Was den Fall der Ukraine für wohlmeinende Einwirkung von außen so
schwierig macht, ist die Verquickung zweier Probleme. Im Lande selbst
ist das die materiell und moralisch korrupte Sippschaft der
Regierenden und ihrer Sponsoren. Beim Nachbarn nebenan ist es der
große Pate Putin. Beide haben bis auf weiteres Interesse,
Janukowitsch zu stützen. Die einen, weil sie in seinem Windschatten
ihre Geschäfte machen können. Der andere, weil der skrupellose Herr
in Kiew am ehesten Gewähr dafür bietet, dass die Ukraine sich nicht
von Russland ab- und dem Westen zuwendet.
Das sind keine leichtgewichtigen Motivlagen, die man mit ein paar
Nadelstichen gegen Einzelne ins Wanken bringen könnte. Wenn es eine
Kraft gibt, die möglicherweise in der Lage ist, das Regime zu
erschüttern, ist es vielmehr der Maidan selbst. Also die politische
Bewegung, die unter dem Namen ihres Haupttatortes mittlerweile
Geschichte macht wie zuvor die Massen auf dem Tahrir-Platz in Kairo.
Ob das Regime fällt und wann, weiß freilich derzeit keiner. "Nur noch
eine Frage der Zeit", raunen sie in Brüssel. Stimmt - kann nur
verdammt lange dauern, siehe Syrien.
Über die begrenzte Reichweite von Nadelstichen darf man sich
keine Illusionen machen. Um im Falle Ukraine wirklich etwas zu
bewegen, müsste sich die EU in die Lage versetzen, ihr
wirtschaftliches Gewicht im Umgang mit Russland strategisch zur
Geltung zu bringen. Davon ist sie weit entfernt.
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