Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Ulrich Heyden zu Ukraine
Geschrieben am 24-02-2014 |
Regensburg (ots) - Kaum zu glauben und doch wahr. Als die
Mitglieder der nach Kiew entsandten Polizei-Spezialeinheit Berkut in
ihre Heimatstandorte nach Sewastopol auf der Krim und in das
ostukrainische Charkow zurückkehrten, wurden die stämmigen,
maskierten Männer, die sich unter dem neuen ukrainischen
Innenminister peinlichen Befragungen werden unterziehen müssen, von
der Bevölkerung als Helden empfangen. Wie das kommt? Die Menschen im
Südosten der Ukraine fürchten, dass sie auf Druck der erstarkten
nationalistischen Organisationen wie "Rechter Sektor" und "Swoboda"
als "Moskau-Freunde", "patriotisch unzuverlässig" und Bürger zweiter
Klasse abgestempelt werden. Die Gruppe der Menschen, welche die neue
Macht in Kiew fürchten, ist nicht gerade klein. In der Ukraine leben
46 Millionen Menschen. Nach einer Umfrage der Ukrainischen Akademie
der Wissenschaften sprechen 42 Prozent der Menschen zu Hause
Ukrainisch, 38 Prozent Russisch und 17 Prozent beide Sprachen. Um die
Rechte der russischsprachigen Bevölkerung zu schützen, wurde 2012
unter Präsident Viktor Janukowitsch ein Gesetz verabschiedet, nach
dem Russisch im Südosten des Landes neben der Staatssprache
Ukrainisch den Status einer "Regionalsprache" bekam. Am Sonntag nun
wurde dieses Gesetz auf Initiative der nationalistischen
Swoboda-Partei in der Werchowna Rada für ungültig erklärt. Die
Swoboda-Partei, die wegen ihrer führenden Rolle bei den Protesten auf
dem Maidan mit Ministerposten in der neuen ukrainischen Regierung
rechnen kann, hat sich zum Ziel gesetzt, die Ukraine von "russischen
Einflüssen" zu säubern. Ganz auf dieser Linie liegen auch Anträge
nationalistischer Abgeordneter, die jetzt zur Abstimmung der
Werchowna Rada vorliegen. Die Partei der Regionen und die
Kommunistische Partei sollen verboten und die Übertragung russischer
Fernsehkanäle in der Ukraine eingeschränkt werden. Es ist einfach,
die Unzufriedenheit von Millionen Menschen über niedrige Löhne,
Korruption und selbstherrliche Polizisten auf nationalistische Mühlen
zu lenken und eine Front gegen alles Russische aufzubauen. Doch auf
Kredite aus Moskau wird die neue ukrainische Regierung nicht hoffen
dürfen, wenn sie in eine nationalistische Richtung abdriftet. Moskau
hat die Auszahlung der zweiten Kredittranche in Höhe von zwei
Milliarden Dollar gestoppt. Noch wisse man nicht, mit wem man in Kiew
sprechen soll, erklärte gestern Ministerpräsident Dmitri Medwedew.
Der Kreml agiert in der Ukraine zurzeit wesentlich geschickter als
der Westen. Das Verhältnis zwischen Putin und Janukowitsch war in den
letzten Jahren kühl. Aus der orangenen Revolution hatte der Kreml
gelernt, dass demonstrativ zur Schau gestellte Solidarität mit dem
umstrittenen Politiker dem russischen Einfluss in der Ukraine mehr
schadet als nützt. Auch der Westen lernt jetzt diese Lektion. Nach
Lobeshymnen auf die Freiheits-Helden Julia Timoschenko und Vitali
Klitschko hört man nun vermehrt skeptische Töne. Für Timoschenko und
Klitschko gibt es heute auf dem Maidan nur müden Beifall. Ein
Politiker mit hoher Popularität, der am 25. Mai zum Präsidenten
gewählt werden könnte, ist bisher nicht in Sicht. Man kann nur
hoffen, dass die Ukrainer sich nicht von nationalistischen
Rattenfängern ablenken lassen und sich auf Wichtiges konzentrieren:
den mühsamen Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, in der
Menschen ukrainischer, russischer, jüdischer Abstammung und viele
andere kleine Nationalitäten die gleichen Rechte haben und vor
Diskriminierung geschützt sind.
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