Schwäbische Zeitung: Politik durch Unterlassen - Leitartikel
Geschrieben am 28-02-2014 |
Ravensburg (ots) - Es ist mitnichten so, dass sich
Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann nicht um die
Zukunft des Verkehrs im Südwest kümmert: Diese Woche informierte er
sich in Japan und Korea ausführlich über Mobilitätskonzepte in Asien,
und er will eigenen Worten zufolge viel davon mitnehmen, um
"Baden-Württemberg zu einer Modellregion für Nachhaltige Mobilität zu
machen". Die frustrierten Autofahrer, die allein rund um Deutschlands
Stauhauptstadt Stuttgart täglich wertvolle Lebens- und Arbeitszeit
verplempern, mögen es mit Hoffnung hören.
Doch vor lauter Zukunft ist dem Ministerium komplett die Gegenwart
entglitten: Erstmals seit mindestens zwei Jahrzehnten hat das Land
weniger Geld für Bundesstraßen und Autobahnen investiert, als vom
Bund zur Verfügung stand. Kurz gesagt: Ausgerechnet Badener und
Schwaben haben von Berlin geschenktes Geld nicht genommen. Dafür wird
jetzt vielleicht eine neue Straße in Vorpommern gebaut.
Wie immer man die Zahlen auch dreht und wendet: sie sind eine
Blamage. Jahrelang moniert das Land zu recht, dass der Bund zu wenig
Geld in den Straßenerhalt steckt. Doch wenn es dann fließt, ist
Baden-Württemberg überfordert vom plötzlichen Segen und schiebt die
Schuld dafür reflexartig auf die 2011 abgewählte Vorgängerregierung.
Auch im laufenden Jahr macht Stuttgart bisher keine Anstalten,
einem neuen Mittelrückfluss vorzubeugen. Neue Stellen? Schwierig.
Umplanung? Kompliziert. Wer so argumentiert, betreibt eine Politik
des Unterlassens, will Pendler mit Autostaus in S- und U-Bahnen
zwingen. Dumm nur, wenn es die im ländlichen Raum nicht gibt.
Hermanns bayerischen Nachbarn hatten 2013 übrigens kein Problem, die
Rekordmittel vom Bund restlos auszugeben.
Konnte die Landesregierung Kürzungen und Deckelungen bei Gemeinde-
und Landesstraßen noch irgendwie begründen - bei von allen Seiten
begrüßten Bauprojekten kann es kein Verständnis geben: Diese Politik
des Unterlassens hat auch mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.
Pressekontakt:
Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de
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