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Börsen-Zeitung: Verdrängte Lehren, Kommentar zum britischen Haushalt von Peter Rásonyi

Geschrieben am 19-03-2014

Frankfurt (ots) - In einer kurz vor seinem Amtsantritt im Frühjahr
2010 gehaltenen Rede hatte der heutige britische Schatzkanzler George
Osborne gemahnt, ein nachhaltiger Aufschwung müsse von einem neuen
Gleichgewicht der Wirtschaft begleitet sein. Das bedeute: eine höhere
Sparquote, höhere Unternehmensinvestitionen und höhere Exporte. In
seiner Budgetrede am Mittwoch im Parlament kam das Wort Gleichgewicht
nicht mehr vor. Der plötzliche kräftige Aufschwung vom vergangenen
Jahr hat die Warnungen und Lehren der Finanzkrise weggewischt.

Dafür gibt es allerdings keinen Grund. Keine von Osbornes
einstigen Forderungen ist erfüllt. Der Konsumboom, der den jüngsten
Aufschwung trägt, wird maßgeblich durch eine markante Reduktion der
Sparquote der privaten Haushalte getragen. Jene ist 2013 auf sehr
niedrige 5,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gefallen, fast halb so
viel, wie die deutschen Haushalte jedes Jahr auf die Seite legen. Die
Unternehmensinvestitionen lagen 2013 ein Viertel tiefer als 2005. Und
die Exportindustrie hat von der Abwertung des britischen Pfunds nie
zu profitieren vermocht. Großbritannien hat im vergangenen Jahr im
Umfang von 7% des BIP mehr Güter eingeführt als ausgeführt. Auch
unter Berücksichtigung der Dienstleistungen war das
Leistungsbilanzdefizit mit 3,7% des BIP eines der höchsten in der
westlichen Welt. Diese Zahlen bedeuten nichts anderes, als dass der
Aufschwung durch riesige Geldtransfers aus dem Ausland und
vermindertes Sparen der privaten Haushalte finanziert wird. Beides
wird von der Regierung tatkräftig gefördert, doch das ist nicht
nachhaltig. Der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney, hat
diese Woche gewarnt, man müsse nicht ein Genie sein, um zu sehen,
dass sich wegen der Politik langfristig niedriger Zinsen wieder
ähnliche Risiken für die Stabilität aufbauten wie vor der Krise.

Was tun? Carney verteidigte energisch seine extrem lockere
Geldpolitik. Er beschwichtigte Bedenken mit der Versicherung, die
Notenbank habe heute, als Folge der jüngsten Reformen, neben der
Geldwertstabilität auch die Stabilität des Finanzplatzes und der
Banken unter ihrer Kontrolle. Das erlaube das Eingehen höherer
monetärer Risiken. Die Notenbank verfüge heute über ein viel größeres
Instrumentarium, um Stabilitätsrisiken im Finanzsystem früh zu
begegnen. Dass das ein tauglicher Ersatz für eine langfristig auf
eine nachhaltige Stärkung der Produktivität und Leistungsfähigkeit
der Volkswirtschaft ausgerichtete Politik ist, erscheint aber
zweifelhaft.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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