ROG: Merkel soll von Xi Jinping Pressefreiheit verlangen
Geschrieben am 27-03-2014 |
Berlin (ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert Bundeskanzlerin
Angela Merkel auf, beim Staatsbesuch des chinesischen Staats- und
Parteichefs Xi Jinping die Zensur in China anzuprangern und Meinungs-
und Pressefreiheit einzufordern. Seit Xi Jinpings Machtübernahme im
vergangenen Jahr gehen die chinesischen Behörden mit neuer Härte
gegen kritische Journalisten und Blogger vor. Auch Nutzer sozialer
Medien werden zunehmend zensiert.
"Deutschland und China bezeichnen sich als strategische Partner
und pflegen intensive Beziehungen, doch mit rund 30 inhaftierten
Journalisten und 70 Bloggern, unter ihnen der
Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, ist China eines der größten
Gefängnisse für Journalisten weltweit", sagt ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr in Berlin. "Es ist unerträglich, dass Medienvertreter
hinter Gitter kommen, wenn sie mehr Demokratie fordern oder über
heikle Themen berichten. Bundeskanzlerin Merkel sollte gegenüber Xi
Jinping deutlich machen, dass Deutschland von einem Partner ein
anderes Verhalten erwartet."
Die Medien in China unterstehen einer strengen Kontrolle durch den
Staat. Das Propagandaministerium verschickt täglich Direktiven, die
die Berichterstattung gezielt steuern. Nach dem Tod eines Bauern am
21. März 2014 in der Provinz Schandung, der gegen die Enteignung
seines Landes protestiert hatte, forderte das Propagandaministerium
etwa alle Redaktionen dazu auf, die Berichterstattung über den Fall
unverzüglich abflachen zu lassen und keine Nachfolgeberichte zu
bringen (http://bit.ly/1feqLpt). Themen wie die Selbstverbrennungen
von Tibetern, die gewaltsame Niederschlagung der Demokratiebewegung
am 4. Juni 1989 oder die Reichtümer von Mitgliedern der chinesischen
Staatsführung werden in den Medien unterdrückt. Die mehr als 300 000
chinesischen Redakteure und Reporter sind seit vergangenem Jahr zum
Besuch von Schulungen in marxistischer Ideologie verpflichtet
(http://bit.ly/1fXKGZb).
Auch das Internet unterliegt strenger Zensur und Überwachung. Die
chinesische Firewall blockiert viele Webseiten, zum Beispiel jene von
"Reporter ohne Grenzen" oder der "New York Times". Schlagworte zu
heiklen Themen wie Taiwan, Tibet oder über Umweltproteste sind
gesperrt und ergeben bei Recherchen keine Treffer. Facebook, Youtube
und Twitter sind seit 2009 blockiert und das chinesische
Twitter-Pendant Weibo wird zensiert. Die Anbieterfirmen müssen
kritische Nachrichten löschen und sogar Konten sperren. Seit
September 2013 können Nutzer mit bis zu drei Jahren Haft bestraft
werden, wenn sie bei Weibo sogenannte Gerüchte verbreiten und diese
mindestens 500 Mal weitergeleitet werden. Die Behörden haben jedoch
nicht klar definiert, was sie unter einem Gerücht verstehen.
Die sogenannten China-Leaks - umfangreiche Veröffentlichungen über
die lukrativen Geschäfte der Pekinger Polit-Elite in internationalen
Finanzoasen - sind blockiert. Reporter ohne Grenzen (ROG) macht über
seine Webseite We Fight Censorship diese zensierten Berichte
zugänglich (http://bit.ly/1js83kh). Im vergangenen August wurde der
chinesisch-amerikanische Milliardär Charles Xue verhaftet - offiziell
wegen des Besuchs bei einer Prostituierten. Mit rund zwölf Millionen
Followern war Xue in China aber auch als kritischer Blogger bekannt,
der sich bei Sina Weibo zu Themen wie Umweltverschmutzung,
Lebensmittelsicherheit und Kinderarmut äußerte. Kurz nach seiner
Festnahme wurde Xue im chinesischen Staatsfernsehen vorgeführt. In
Sträflingskleidung und Handschellen musste der Sechzigjährige ein
öffentliches Geständnis ablegen und sein Verhalten als Blogger
kritisieren. Die Inszenierung sollte offenbar als Abschreckung dienen
(http://bit.ly/1m3VxG8). Im Rahmen seiner Nothilfearbeit hat Reporter
ohne Grenzen im vergangenen Jahr für den Blogger Liu Dejun ein
Stipendium beim deutschen P.E.N.-Zentrum vermittelt. Der Aktivist war
in China wegen seiner Menschenrechtsarbeit mehrmals inhaftiert und
auch gefoltert worden (http://bit.ly/1gsVrI1).
Auch ausländische Medienvertreter werden bei ihrer Arbeit in China
behindert: Journalisten dürfen nicht nach Tibet reisen. Der
BBC-Journalist Martin Patience und David McKenzie von CNN wurden am
22. Januar 2014 von Sicherheitskräften bedrängt, als sie über den
Gerichtsprozess des Bürgerrechtlers Xu Zhiyong berichten wollten
(http://bit.ly/1lm4cXk). Am 27. Februar 2013 schlugen Unbekannte in
der Provinz Hebei mit einem Baseballschläger auf die
Windschutzscheibe des Autos des ARD-Fernsehteams ein, das sich dort
zu Dreharbeiten aufhielt (http://bit.ly/1gsQbEi).
Mit repressiver Visavergabe werden ausländische Medien zunehmend
für kritische Berichte "bestraft". Seit sie Artikel über den Reichtum
von Chinas Spitzenpolitikern veröffentlicht haben, können sowohl die
US-Nachrichtenagentur Bloomberg als auch die New York Times seit 2012
in China keine neuen Korrespondentenstelle mehr besetzen
(http://bit.ly/1dqZwgh).
China steht auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 175
von 180 Ländern. Das Internetinformationsamt, das die
Zensurrichtlinien der Regierung in Peking entwirft, zählt zu den
Feinden des Internets - jenen Behörden und Institutionen, die eine
zentrale Rolle bei der Unterdrückung kritischer Stimmen und
unerwünschter Informationen im Internet spielen
(http://bit.ly/1cwBdgk).
Aktuelle Informationen zu Verstößen gegen die Pressefreiheit in
China finden Sie unter http://en.rsf.org/china.html, eine
detaillierte Darstellung der chinesischen Internetzensur und
-kontrolle unter http://surveillance.rsf.org/en/china/ (beides in
englischer Sprache).
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29
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