Westdeutsche Zeitung: Kiew zögert, die Militärkarte zu spielen =
von Peter Lausmann
Geschrieben am 14-04-2014 |
Düsseldorf (ots) - Die ukrainische Zentralregierung in Kiew zögert
erneut damit, einem Ultimatum gegen die Separatisten im Osten des
Landes auch Taten folgen zu lassen. Die Erfolgschancen scheinen
gering, denn zum einen kann sich die Übergangsregierung ihrer
Autorität nicht sicher sein. Eine misslungene Militäraktion könnte
sie schnell aus dem Amt fegen. Zum anderen ist fraglich, wie sich die
demoralisierten ukrainischen Truppen verhalten würden. Die Übergriffe
auf der Krim und der schmachvolle Abzug von der Halbinsel haben die
Moral empfindlich getroffen. Die auf der anderen Seite der Grenze
aufmarschierten russischen Truppen verstärken dieses Gefühl der
Unterlegenheit. Zudem haben die Separatisten mittlerweile zu viele
Städte unter ihrer Kontrolle, als dass eine gezielte Aktion das
Problem lösen könnte. Der Zeitpunkt, an dem Kiew militärisch hätte
handeln können, ist längst verstrichen. Deshalb versucht
Interimspräsident Alexander Turtschinow zum einen Zeit zu gewinnen,
indem er ein Referendum über mehr Föderalismus in der Ukraine
anbietet. Damit verbunden ist offenbar die Hoffnung, den Separatisten
den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Dynamik der Gewalt
zumindest teilweise auszubremsen. Zum anderen wittert er darin eine
Chance, denn das Angebot zur Abstimmung für mehr regionale Mitsprache
zielt auch auf die gemäßigten russischstämmigen Ukrainer. Die
Separatisten sind zwar laut, radikal und militant, haben aber - wie
viele Umfragen zeigen - nur begrenzten Rückhalt in der Bevölkerung.
Viele Ost-Ukrainer wollen ihre russische Sprache und Kultur gesichert
wissen, sind von einem Anschluss an Russland aber alles andere als
begeistert. So kamen bei Demonstrationen für eine Abspaltung nie mehr
als ein paar Tausend Protestler zusammen. Ein Referendum - soweit
unter fairen Bedingungen abgehalten - könnte demnach zugunsten Kiews
ausfallen. Doch es ist völlig offen, ob die Separatisten auf den
Vorschlag eingehen - auch wenn sie das Referendum bislang selbst
gefordert haben. Denn egal, wer das Referendum vorschlägt: Es geht
nicht darum, das Volk besser einzubinden. Es geht einzig darum, jedes
Mittel zu nutzen, um die eigene Macht zu sichern.
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