Börsen-Zeitung: Spätfolgen, Kommentar zum Arbeitsmarkt von Stephan Lorz
Geschrieben am 29-05-2014 |
Frankfurt (ots) - Für eine "Spätfolge des milden Winters" hält der
Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, die
ausgefallene Frühjahrsbelebung auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Mai.
Da es witterungsbedingt zu Jahresanfang weniger Entlassungen als
üblich gegeben habe, würden nun eben auch die Einstellungen
ausbleiben. Es gebe ja nichts zu "beleben". Die Erklärung ist
durchaus plausibel in ihrer arithmetischen Logik, verstellt aber den
Blick auf die Gesamtlage am Arbeitsmarkt.
Gewiss haben die jüngsten Beschäftigungserfolge die Zahl der
Arbeitslosen Monat für Monat schrumpfen lassen. An eine
rekordniedrige Arbeitslosenquote wie jetzt von 6,6% war noch vor
Jahren nicht zu denken. Greift man auf international vergleichbare
statistische Abgrenzungen zurück, so liegt der Wert für Deutschland
mit 5,1% nur halb so hoch wie etwa in Frankreich und deutlich unter
dem in den USA. Ein Erfolg, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass
sich hierzulande ein selbsttragender Konjunkturaufschwung etablieren
konnte: Die Sozialkassen werden entlastet, mehr Erwerbstätige
steigern den Konsum, und zugleich erhöhen sich die Löhne in stärkerem
Maße als je zuvor.
Dieser Erfolg darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der
Abbau der Arbeitslosigkeit inzwischen immer zäher vonstatten geht -
den immer lauteren Klagen der Wirtschaft über Fachkräftemangel zum
Trotz. Das liegt etwa an der Qualifikationsstruktur der verbliebenen
Stellensucher, an ihrer fehlenden Mobilität und unzureichenden
Ausbildung. Nach Ansicht von BA-Chef Weise sind denn auch "keine
großen Sprünge" mehr am Arbeitsmarkt zu erwarten.
Immer mehr Jobs werden entweder von Zuwanderern besetzt - oder von
Personen, die sich bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt blicken ließen.
Das zeigt auch die Arbeitsmarktstatistik: Während die Zahl der
Arbeitslosen im Mai nur um 55.000 niedriger war als im Mai des
Vorjahres, betrug der Abstand bei der Zahl der Erwerbstätigen zuletzt
+ 398.000 Personen.
Der zähe weitere Abbau der Arbeitslosigkeit sollte ein Warnsignal
sein für die Politik, es mit der Rückabwicklung der Sozialreformen
der früheren rot-grünen Regierungskoalition nicht zu übertreiben.
Ähnlich wie positive Reformeffekte sich erst nach Jahren eingestellt
hatten, werden auch negative erst später sichtbar. Dennoch lässt das
die Politik unbeeindruckt. Nach Mindestlohn und Einführung der Rente
mit 63 sind weitere Volksbeglückungsaktionen zu erwarten. Kommt es
dann zu "Spätfolgen", will es natürlich keiner gewesen sein.
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