BERLINER MORGENPOST: Mit der AfD reden, nicht schmollen/ Ein Leitartikel von Hajo Schumacher
Geschrieben am 29-05-2014 |
Berlin (ots) - Es wäre kein Verlust für die Talkshows, wenn Volker
Kauder nicht mehr mitmachte. Der Unions-Fraktionschef hat den
Unterhaltungswert einer Phrasendreschmaschine. Dass Kauder sich
allerdings weigert, mit AfD-Vertretern zu streiten, offenbart ein
höchst fragwürdiges Demokratieverständnis. Wir alle haben in der
Schule gelernt, dass Demokratie ein Wettstreit von Meinungen ist,
auch von seltsamen, die sind nämlich durch Artikel 5 GG gedeckt. Das
Verweigern einer Debatte bedeutet politische Feigheit, die auf
mangelndes Selbstbewusstsein schließen lässt. Man wird den Verdacht
nicht los, Kauder hat Angst vor der eigenen argumentativen Schwäche.
Ärgerlich an Kauders Hasenfüßigkeit ist vor allem das fundamentale
Missverständnis der AfD. Gerade das Ausgrenzen macht die Neuen stark.
Das Selbstverständnis der AfD gründet ja auf dem erhabenen Gefühl,
unliebsame Positionen zu vertreten, vor denen sich das politisch
korrekte Parteien-Establishment drückt. Wer das Gespräch mit der AfD
verweigert, der stärkt dieses Robin-Hood-Gefühl noch. Beispiel: Die
AfD will den Euro abschaffen. Bürger wollen aber wissen, warum Herr
Kauder den Euro behalten will. Wer diese Debatte verweigert, stärkt
die Verschwörungstheoretiker. Paradox aber wahr: Ignorieren stärkt
den politischen Gegner.
Natürlich ist diese AfD ein komischer Haufen, eher Sekte als
Partei. Fakt ist auch: Luckes Leute sind überwiegend keine Neonazis,
sondern Bürgerlich-Konservative, sicher auch National- oder
Rechts-Konservative, jedenfalls Fleisch vom Fleische der Union. Diese
Jägerzaun-Fraktion wurde früher von Eisenfüßen wie Dregger, Kanther,
Koch, Merz oder Schönbohm bedient, frei nach der Strauß-Parole:
"Rechts von der Union ist nur noch die Wand". Eine bürgerliche
Volkspartei muss eben alles anbieten, von Stahlhelm bis Fahrradhelm.
Kauder könnte eine Menge von der SPD lernen, die sich seit Jahren
mit der Linkspartei herumschlägt. Spiegelbildlich ist ja rechts nur
passiert, was vor zehn Jahren links im Parteienspektrum geschah:
Außen am Rand hat sich zusammengerottet, was einen Teil der eigenen
Wähler anspricht. Die SPD war gegen die Linkspartei immer dann
erfolgreich, wenn sie selbstbewusst aufgetreten ist und nicht einfach
nur geschmollt hat.
Eine Regel gilt rechts wie links: Die Wahrheit kommt ans Licht,
wenn eine Partei, die nur Opposition kann, in die politische Pflicht
genommen wird, wie einst der rot-rote Berliner Senat zeigte. Die
Entzauberung des einstigen Wirtschaftssenators Gregor Gysi ging ganz
schnell. Ob einst die Grünen, derzeit die Piraten oder immer wieder
die Rechtsradikalen - die grausame Realität des Alltags ist der
sicherste Weg, Flausenköppe zur Ruhe zu bringen. Wer den politischen
Kampf mit Lucke und Co. verweigert, tut der AfD den Gefallen, sich
zum Opfer zu stilisieren. Hoffentlich gibt es in der Union ein paar
Recken, die diesen Kampfesmut aufbringen. Die Wähler haben ein Recht
darauf und die AfD hat es verdient.
Der Leitartikel im Internet: www.morgenpost.de/128541257
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BERLINER MORGENPOST
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Telefon: 030/2591-73650
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