DER STANDARD - Kommentar: "Scherbenhaufen war noch zu klein" von Andreas Schnauder
Geschrieben am 11-06-2014 |
Der Eingriff in garantierte Hypo-Forderungen hebelt den
Rechtsstaat aus. (Ausgabe vom 12.6.2014)
Wien (ots) - Michael Spindelegger hat "Nägel mit Köpfen" gemacht.
So umschreibt der Vizekanzler das von ihm und dem Justizminister
ausgeheckte und am Mittwoch von der Regierung abgesegnete
Gläubigerbeteiligungsprogramm bei der Hypo. Schön, dass die Regierung
einmal getätigte Ankündigungen auch umsetzt. Weniger schön ist, dass
man sich auf ein Terrain begibt, das ein entwickelter Rechtsstaat
tunlichst meiden sollte. Und das auch noch wegen eines Betrags, der
im Verhältnis zu den Gesamtkosten für die Rettung der Kärntner Banken
ziemlich mickrig ausfällt. Da nützt es auch nichts, wenn
Justizminister Wolfgang Brandstetter und Notenbank-Gouverneur Ewald
Nowotny ausrücken, um Einmaligkeit oder angebliches europarechtliches
Fundament des Schuldenschnitts zu beteuern. Eine öffentliche Haftung
bleibt eine öffentliche Haftung. Und damit sind die Forderungen der
Nachranggläubiger besichert. Somit liegt Brandstetter - erstaunlich
eigentlich für einen Spitzenjuristen - gründlich daneben, wenn er
meint, die Einbeziehung von Gläubigern sei "nichts Neues". Denn
besicherte Forderungen zu kassieren ist nicht nur ein Novum, sondern
ein absoluter Tabubruch. Das sollte der Minister eigentlich wissen
(wahrscheinlich tut er es auch), bevor er sich den Medien stellt.
Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass seine Position juristisch
halten sollte, bliebe die wirtschaftspolitische Sprengkraft. Eine
gesetzlich und vertraglich abgesicherte Zusage an einen Investor zu
widerrufen hat weitreichende Folgen. Gegen derartige Vorgangsweisen
gibt es die EU-Grundrechtecharta, die österreichische Verfassung,
bilaterale Investitionsschutzabkommen und vieles mehr. Also die
Gläubiger wieder einmal ungeschoren davonkommen lassen und die
Verluste wie gehabt sozialisieren? Keineswegs. Natürlich sollen
Geldgeber bei Schieflage einer Bank zur Kasse gebeten werden. Doch im
Kärntner Fall schützt eben die unsägliche Haftung die Investoren -
ein Umstand, der übrigens auch in der künftigen Bail-in-Regelung der
EU und den Abwicklungsmechanismen fortgeschrieben wird. Da müsste man
schon einen Schritt weiter gehen und die Pleite der Bank und folglich
Kärntens riskieren. Die Folgen eines solchen Schritts kann heute kein
Mensch voraussehen. Eines lässt sich aber sagen: Diese Vorgangsweise
wäre aus rechtsstaatlicher und ordnungspolitischer Sicht konsistent,
während die Löschung von Nachrangkapital per Gesetz nichts anderes
als einen einseitigen Eingriff in das Eigentumsrecht und eine
Verletzung des Vertrauensschutzes darstellt. Inkonsequent ist zudem,
vom Bund garantiertes Nachrangkapital nicht einzuziehen. Wenn diese
Kapitalform schon unter Berufung auf künftiges EU-Recht geschnitten
und auf die Haftung gepfiffen wird, kann es nicht ausschlaggebend
sein, ob Kärnten oder die Republik der Garantiegeber ist. Doch das
traute sich die Regierung dann aus Furcht vor Ratingagenturen und
Investorenschelte doch nicht. Unter dem Strich bleibt, dass
Österreich wegen eines vergleichsweise bescheidenen Beitrags den Ruf
der Republik aufs Spiel setzt - und den gigantischen
Hypo-Scherbenhaufen noch um weiteres Bruchglas anreichert. Dort, wo
tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht werden sollten - sei es bei der
Rechnungslegung oder den Haftungsgrenzen der Länder und Gemeinden -,
leidet die Regierung hingegen unter Schlaghemmung.
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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