Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Obamas Rolle in der aktuellen Irak-Krise
Opfer eigener Versäumnisse
DIRK HAUTKAPP, Washington
Geschrieben am 13-06-2014 |
Bielefeld (ots) - Der Irak kollabiert. Und der Präsident macht ein
Nickerchen. War ein netter Satz für die Abendnachrichten, den
Republikaner-Chef John Boehner losließ, um den jüngsten Brandherd zu
beschreiben, dem Barack Obama mehr analysierend zusieht, als ihn
entschlossen zu löschen. Stimmen tut er trotzdem nicht. Das Weiße
Haus wusste seit geraumer Zeit um die Warnungen von Militär und
Geheimdiensten, dass sich im Niemandsland zwischen Syrien und Irak
eine dunkle Macht ausbreitet. Der amerikanische Präsident und sein
innerer Kreis waren hellwach. Sie wollten nur nicht wahrhaben, was
sich abzeichnete: Dass die hasenfüßige wie überforderte Armee des
weder zum Regieren noch Integrieren befähigten Regierungschefs Nuri
al Maliki in Bagdad diesem Gegner nicht gewachsen sein würde. Obamas
Dekret der militärischen Enthaltsamkeit und
Nicht-mehr-überall-Einmischung hat sich wie Milchglas vor die realen
Verhältnisse geschoben. Die Eskalation dieser Woche macht ihn nun zum
Opfer seiner eigenen Versäumnisse. Viel spricht dafür, dass
Washington mangels Alternativen die Machtverhältnisse am Boden mit
Drohnen oder Kampfflugzeugen kurzfristig in eine neue Balance bomben
will. Sich analog zu Syrien militärischer Entschlossenheit unterhalb
der Schwelle von Truppenstationierungen zu verweigern, könnte mit
einem Durchmarsch der an El Kaida gestählten Gotteskrieger der ISIS
auf Bagdad enden. Obamas hinreichend verbeulte Reputation als
Krisenmanager wäre vollends dahin. Ob Einschüchterungsangriffe mit
Raketen aus der Ferne bei diesem Terrornetzwerk Eindruck machen, weiß
freilich noch niemand. Klar ist aber: Die unbemannten Scharfrichter
Terrorverdächtige in Pakistan und Nordafrika final aburteilen zu
lassen, nicht aber im vor dem Kollaps stehenden Irak lässt sich
politisch nicht durchhalten. Aber was käme danach? Eine
selbstkritische Bestandsaufnahme und Mythen-Beerdigung ist
überfällig. Obama muss aufhören, sich auf welk gewordenem Lorbeer
auszuruhen. Dass Osama Bin Laden bei den Fischen ist und mit ihm das
Gros der El-Kaida-Urbesetzung tot, hat nur noch die Wirkung von
weißer Salbe. Strategisch blendend geschulte Gotteskrieger-Armeen wie
ISIS tauchen heute im Irak und morgen in Somalia oder im Sudan auf.
Sie haben Höhlen-Osama lange überwunden, dessen Fehler studiert und
lassen die USA wie einen alten, übergewichtigen Polizisten aussehen,
dem die Diebe mit Leichtigkeit wegsprinten. Obama muss aufhören, wie
Vorgänger Bush ("mission accomplished") Einbildung an die Stelle von
Erkenntnis zu setzen. Die Lage im Irak war nie stabil, die Mission
nie wirklich beendigungsreif. Und die gegen den Rat der Militärs 2010
entschiedene Lösung, wonach das von Kolonialmächten zerrüttete
Zweistromland keine ausländische Schutzmacht mehr auf seinem
Territorium benötige, eine dreiste Mär. Spätestens seit Mossul von
Gefolgsleuten des ISIS-Anführers Abu Bakr al Baghdadi wie in einem
schlechten Film überrannt wurde, wirkt Obamas Mantra, dass Amerika
seine Kriege "verantwortungsvoll" beendet, wie Hohn. Für den anderen
Dauer-Unruheherd Afghanistan lässt diese verquere Wahrnehmung nichts
Gutes erahnen. Obama hat im Irak keine Wahl. In Syrien hat er eine
Katastrophe mit über 150.000 Toten geschehen lassen. Eine zweite
werden die Menschen im Nahen Osten dem Westen nicht durchgehen
lassen.
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News Desk
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