DER STANDARD - Kommentar: "Reformen, die keiner versteht" von Conrad Seidl
Geschrieben am 20-06-2014 |
Durchgreifende Änderungen sind längst nicht so populär, wie
sie notwendig sind. (Ausgabe vom 21.6.2014)
Wien (ots) - Mit Steuerreformen gewinnt man keine Wahlen. Mit
Verwaltungsreformen erst recht nicht. Beide Ansätze zur Sanierung des
Staatshaushalts haben gemeinsam, dass ihre Auswirkungen auf den
Einzelnen bescheiden bleiben - ein paar allenfalls übrigbleibende
Euro sind rasch verkonsumiert, ein paar auf Amtswegen gesparte
Minuten fallen nicht einmal auf. Allfällige Nebenwirkungen werden
dagegen überdeutlich wahrgenommen: Die neue, höhere oder anders
berechnete Steuer, mit der eine Steuertarifsenkung gegenfinanziert
werden soll, hier, der neu zu stellende, anders zu formulierende,
anderswohin zu richtende Antrag dort schaffen bereits Verdruss, wenn
man auch nur dar?über diskutiert. Wenn sie dann eingeführt sind, erst
recht. Gleichzeitig kommen dann die Einwände, dass die als so
?unangenehm empfundenen Veränderungen in Wirklichkeit viel zu wenig
weit gegangen seien. Dass die Erwartungen der Bevölkerung an
Reformen entsprechend bescheiden sind, heißt natürlich nicht, dass
diese Reformen überflüssig wären. Im Gegenteil: Ihre Notwendigkeit
steht fest, in der Bevölkerung ist das Verständnis dafür aber recht
wenig ausgeprägt. Immerhin ist es der SPÖ gelungen, im politischen
Sprachgebrauch den Begriff "Millionärssteuern" zu etablieren, um der
Mehrheit nahezubringen, dass sie von Erbschafts- und Schenkungs-,
höheren Grund- und neu einzuführenden Vermögenssteuern wahrscheinlich
nicht betroffen wäre. Ob die Mehrheit das glaubt, ist fraglich - es
glaubt ja nicht einmal der Koalitionspartner. Und Umfragen zeigen,
dass sich nicht nur Millionäre betroffen fühlen. Noch schwieriger ist
es, Ziele und Auswirkungen einer Verwaltungsreform verständlich zu
machen. Dass die Schaffung einer unabhängigen
Verwaltungsgerichtsbarkeit zu Jahresbeginn die größte
Verwaltungsreform in der Geschichte der Zweiten Republik dargestellt
hat, ist wohl an den meisten Bürgern vorübergegangen. Wo sie doch
wahrgenommen wurde, hat man erkannt, dass der neue Instanzenweg
zumindest ein Umdenken erfordert - was nach dem oben geschilderten
Schema als mühsam wahrgenommen wird. Und zudem nicht ausreicht, um
die Verwaltung wirklich zu verschlanken. Dazu müsste man viel
radikaler ?eingreifen als bisher angedacht: Traut sich jemand, die
Bundesländer mit ihrer eigenwilligen Gesetzgebung für Tanzschulen und
Feuerwehren, für die Jagd und die Abfallwirtschaft, die Bauordnung
und natürlich den Jugendschutz infrage zu stellen? In beiden
Koalitionsparteien gäbe es einen Aufschrei (in der Bevölkerung
wahrscheinlich nicht). Die Alternative dazu hat noch weniger
Realisierungschancen, obwohl sie von einigen Landeshauptleuten mit
Sympathie betrachtet wird: Man könnte natürlich auch die
Bundesverwaltung verschlanken und den Ländern zusätzliche Kompetenzen
einräumen. Aber einfacher, gar: übersichtlicher, würde es dadurch
auch nicht. Man sieht es ja jetzt schon an der Wohnbauförderung, wo
der Wettbewerb der Länder zu einem teuren Lizitieren bei den
Leistungen, aber zu raumplanerisch bedenklichen, insgesamt jedenfalls
zu bescheidenen Bauleistungen führt. Überhaupt die Förderungen: Die
Regierung will "Doppelförderungen" abstellen und übersieht, dass in
vielen Fällen Zusagen von Bund und Land Förderungsvoraussetzung sind.
Viel Spaß beim Entwirren!
Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445
Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom
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