Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Fußball-WM: Tore, Typen und Tragödien von Jürgen Scharf
Geschrieben am 27-06-2014 |
Regensburg (ots) - Sportliche Großereignisse sind während ihrer
Organisation mittlerweile so beliebt wie der Teufel in der Kirche.
Egal ob Olympia oder Fußball-Weltmeisterschaft - wegen der Milliarden
an Steuergeldern, die für die Infrastruktur verbaut werden, gibt es
stets Proteste ohne Ende. Da der teure Gigantismus zu Recht
verurteilt werden kann, wird aber bisweilen vergessen, um was es
ursprünglich eigentlich geht: um Sport. Die Fußball-WM in Brasilien
zeigt zum Glück, wie wunderbar es sein kann, wenn sich junge Menschen
treffen und sich im sportlichen Wettkampf miteinander messen. Zwei
Wochen lang haben in Brasilien 32 Mannschaften in der Vorrunde auf
dem Fußballplatz gekämpft. Eine Hälfte muss jetzt nach Hause fahren.
Doch auch die Spieler dieser Teams können stolz darauf sein, ihren
Teil beigetragen zu haben, dass die Faszination des Fußballs immer
noch die Fans in aller Welt in Massen vor die Fernseher zwingt. Das
Angebot ist ja auch nicht schlecht. In den bisherigen 46 Partien
wurde Tore, Typen und Tragödien in Serie geboten. Tore wie das des
Holländers Robin van Persie gegen Spanien. Mit einem Flugkopfball von
vollendeter Schönheit traf er gegen den amtierenden Weltmeister zum
Ausgleich. Am Ende gewannen seine Holländer das ohnehin denkwürdige
Spiel mit 4:1. Typen wie Mexikos Trainer Miguel Herrera. Ein Mann wie
ein Baum, der mit seinen Explosionen an der Seitenlinie schon so
manchen Spieler der gegnerischen Mannschaft eingeschüchtert hat. Ganz
nebenbei hat Herrera aber auch tolles taktisches Geschick und sogar
Gastgeber Brasilien an der Rand einer Niederlage gebracht. Typen wie
Luis Suarez, der quasi beide Seiten des Fußball-Mondes gezeigt hat.
Die helle mit seinen unwiderstehlichen Antritten und seinen
spektakulären Toren. Die dunkle mit seinem Biss in die Schulter des
Italieners Giorgio Chiellini. Zudem gab es sportliche Tragödien wie
die des Weltfußballers Cristiano Ronaldo. Der trug die Hoffnungen von
ganz Fußball-Portugal auf seinen Schultern - und brach darunter
zusammen. Saft- und kraftlos schleppte er sich in seinen drei Spielen
über den Rasen und schied mit seinem Team aus. Das alles ist der
Fußball. Die Vorrunde der WM in Brasilien hat eindrucksvoll gezeigt,
welche breite Palette dieser wunderbare Sport zu bieten hat. Und die
Vorrunde hat auch gezeigt, wie ernst die Fußballer selbst eine
Weltmeisterschaft noch nehmen. Ihr Geld verdienen sie bei den Klubs,
in Brasilien geht es aber um den Einzug in die Geschichtsbücher. Beim
großen Lionel Messi ging die Anspannung soweit, dass er sich während
(!) der Vorbereitungsspiele auf die WM mehrmals übergab. Umso mehr
dürfte es wohl jeden Fußball-Fan in dieser Welt freuen, zu sehen, was
für ein kindliches, überglückliches Lächeln auf Messis Gesicht nach
seinen beiden Toren gegen Nigeria zu sehen war. Neben den
individuellen Auftritten der Fußballer und ihrer Mannschaften reizt
an einer Weltmeisterschaft stets auch der Vergleich der Kontinente.
Hier dürfen sich vorerst alle Mahner, die speziell den europäischen
Mannschaften in der Schwüle Brasiliens im Vorfeld des Turniers wenig
Chancen einräumten, bestätigt fühlen. Große Fußball-Nationen wie
Spanien, Italien, Portugal oder England wurden in der Vorrunde
gnadenlos aussortiert. Die südamerikanischen Teams marschierten
derweil zumeist wie aufgedreht ins Achtelfinale. Doch egal ob
Südamerikaner, Afrikaner oder Europäer, sicher ist: Das Beste kommt
noch. Nun beginnen die Spiele um alles oder nichts. Die sind der
Hauptgang einer Fußball-WM - und zudem so wunderbar unkompliziert. Ab
jetzt gibt es keine Rechenspiele mehr. Wer Weltmeister werden will,
muss noch vier Spiele gewinnen - so einfach ist das.
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