Aachener Nachrichten: Keine Kollektivstrafe - warum Israel auf die Morde nicht mit Bomben reagieren sollte. Kommentar von Joachim Zinsen
Geschrieben am 01-07-2014 |
Aachen (ots) - Der Mord an den drei israelischen Jugendlichen ist
ein abscheuliches Verbrechen. Es lässt sich durch nichts
rechtfertigen. Völlig zu Recht ist die Empörung über die Bluttat
groß. Auf der Suche nach den vermissten Jugendlichen hat die
israelische Armee in den vergangenen zwei Wochen das von ihr besetzte
Westjordanland durchkämmt. Durch diese Militäroperation kamen bisher
mindestens fünf Palästinenser ums Leben. Auch sie waren unschuldige
Opfer. Auch ihr Tod hätte uns tief empören müssen. Doch große
Schlagzeilen blieben aus. Allenfalls als Randnotiz wurde ihr Sterben
in den meisten deutschen Medien vermeldet. Offenbar gibt es im
Nahost-Konflikt immer noch Tote erster und zweiter Klasse, offenbar
ist das Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer immer noch
unterschiedlich verteilt. Natürlich bringt es wenig, wenn Israelis
und Palästinenser ihre Toten nur gegeneinander aufrechnen. Genauso
falsch ist es, wenn der Wunsch nach Rache das Denken der
Konfliktparteien bestimmt, selbst wenn das menschlich nachvollziehbar
ist. Noch schlimmer ist es aber, wenn Tote politisch
instrumentalisiert werden. Diesen Weg scheint derzeit die israelische
Regierung einschlagen zu wollen. Sie versucht, das Verbrechen an den
drei Jugendlichen dazu zu nutzen, die Hamas wieder einmal als eine
reine Terrororganisation darzustellen und damit die neue
palästinensische Einheitsregierung, das Bündnis aus Fatah und Hamas,
zu spalten und international zu isolieren. Dabei hat Regierungschef
Benjamin Netanjahu bis heute keine Beweise vorlegen können, dass die
Gruppe tatsächlich hinter den Morden steckt. Selbst israelische
Kenner der Hamas halten deren Erklärung, nichts mit dem Verbrechen zu
tun zu haben, für durchaus glaubhaft. Allerdings reicht es nicht,
wenn die Hamas-Führung ihre Hände lediglich in Unschuld wäscht. Will
sie international als politische Größe akzeptiert werden, muss sie
die Morde klar verurteilen. Das hat sie bisher nicht getan.
Möglicherweise aus der Angst heraus, mit einer deutlichen
Distanzierung kleinen, weit radikaleren Palästinensergruppen in die
Karten zu spielen. Natürlich hat die israelische Regierung ein Recht,
darauf zu bestehen, dass die Mörder der drei Jugendlichen gefasst und
verurteilt werden. Bisher hat sich die palästinensische Führung auch
durchaus kooperativ verhalten. Während der Suche nach den vermissten
Jugendlichen in der Westbank zog sie dort all ihre Polizisten ab, wo
israelische Soldaten Razzien durchführten und hunderte willkürliche
Verhaftungen vornahmen. Das haben manche Palästinenser als Zeichen
der Schwäche verurteilt. Doch ihre Führung konnte so verhindern, dass
die Lage weiter eskaliert. Netanjahu will so viel Weitsicht offenbar
nicht zeigen. Er setzt auf militärische Stärke. Doch seine Regierung
hat kein Recht dazu, die Palästinenser kollektiv für die Morde
verantwortlich zu machen. Wer statt auf rechtsstaatliche Mittel auf
Bomben setzt, bestraft nicht nur die Falschen, sondern verschärft die
Lage weiter, provoziert förmlich eine dritte Intifada der
Palästinenser. Will Netanjahu das wirklich?
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