Südwest Presse: LEITARTIKEL · EUROPAPARLAMENT
Geschrieben am 01-07-2014 |
Ulm (ots) - Auf neuen Pfaden
Ein Parlament, das 28 souveräne Nationen und 500 Millionen
Menschen repräsentiert - das gibt und gab es nur einmal auf der Welt.
Insofern entwickelt sich das Europaparlament auf immer neuen Pfaden.
Mit den Gepflogenheiten gereifter Demokratien sind die manchmal nicht
vereinbar. Der Parlamentarismus in Spanien oder Griechenland ist mit
dem der Niederlande oder Schweden aber auch nur begrenzt
vergleichbar. Vor diesem Hintergrund ist der Stolz verständlich, den
die seit 1979 direkt gewählte Volksvertretung gestern bei der
konstituierenden Sitzung darüber ausdrückte, dass mit der jüngsten
Europawahl durch einen in den EU-Verträgen nicht vorgesehenen
Überraschungscoup erstmals die Entscheidung über den künftigen Chef
der Europäischen Kommission vorgegeben wurde. Die Aufstellung von
Spitzenkandidaten führte deshalb zwar unter den Staats- und
Regierungschefs zu Turbulenzen - letztlich jedoch wurden Fakten
geschaffen, die so leicht nicht wieder ignoriert werden können.
Ausgerechnet der alte und neue Parlamentspräsident Martin Schulz,
einer der "Väter" dieses Prozesses, hat persönlich dabei seine Ziele
verfehlt und den angestrebten Posten in der Kommission verpasst -
eine ironische Begleiterscheinung. Der Sozialdemokrat aus dem
Rheinland geht dafür wohl als Parlamentspräsident mit der längsten
Amtszeit in die Fußnoten der Geschichte ein. Fast die Hälfte der
gestern in Straßburg versammelten Abgeordneten wurde erstmals vom
Wähler dorthin entsandt. Über die künftige Ausrichtung der
Institution lässt sich deshalb kaum mehr sagen, als dass es trotz der
Zugewinne für extreme Gruppierungen weiter eine starke und
verlässliche Mehrheit pro-europäischer Kräfte gibt. Offen ist
dagegen, ob sich das zur Absicherung des Personengeschachers um
Martin Schulz und den designierten Kommissionschef Jean-Claude
Juncker geschmiedete schwarz-rot-gelbe Zweckbündnis zur großen
Koalition auch in Sachfragen mausert. Das wäre bedauerlich. Das
Spitzenkandidatenkonzept zöge dann eine Einschränkung der bisher auf
der EU-Ebene erfreulich großen Freiheit der Mandatsträger von
Fraktionszwängen nach sich. Will das Parlament seiner im
Lissabon-Vertrag fixierten wachsenden Bedeutung gerecht werden, muss
es seine Tagesordnung in den Plenarsitzungen entrümpeln. Sie ist oft
mit Detailregelungen überfrachtet, die selbst altgediente Beobachter
überfordern. Die Abgeordneten müssen sich vielmehr stärker den für
die Entwicklung der Europäischen Union zentralen Themen widmen. Dazu
zählt gewiss weiter der Ausbau der EU von der Währungs- zur
Wirtschaftsunion, dessen Notwendigkeit die Schuldenkrise manifestiert
hat, die der vergangenen Legislaturperiode einen unseligen Stempel
aufdrückte. Dazu gehört, den in der Wettbewerbsfähigkeit
zurückgefallenen Staaten zu helfen, ihre hohe Arbeitslosigkeit zu
überwinden. Die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher in diesen
Ländern trägt wesentlich zur EU-Verdrossenheit der Menschen bei. Die
Grenzen des Stabilitätspakts müssen deshalb nicht weiter aufgeweicht
werden - denn könnte die Arbeitslosigkeit mit Staatsschulden
ausreichend bekämpft werden, müsste es längst für jeden einen Job
geben. Gerade die Runderneuerung auf den Abgeordnetenbänken bietet
dabei die Chance, sich gegenüber Kommission und Rat als innovative
Kraft zu profilieren. Das Europaparlament selbst tut alles, um in der
Konkurrenz der Institutionen der Union seinen Einfluss zu mehren - es
muss aber auch der damit verbundenen wachsenden Verantwortung für die
Lösung der Probleme in Europa gerecht werden.
Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
Telefon: 0731/156218
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
535423
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Landtagsreform Sachsen-Anhalts Halle (ots) - Die Reformen haben ihren Preis - politisch wie
finanziell: Dass die Wahlkreismitarbeiter künftig mehr verdienen,
sei ihnen gegönnt. Doch man darf gespannt sein, wie es
Parlamentariern gelingt, dies ihren Wählern zu verkaufen, die
Kürzungen an Theatern und Schulen erleben müssen. Und: Die
Transparenz des Parlaments wird ausgerechnet dort eingeschränkt, wo
man bislang beispielgebend war. Die unabhängige Diätenkommission,
eine parlamentarische Monstranz, wird abgeschafft. Zugunsten eines
Automatismus, der den Abgeordneten mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Zu viel Schutz für anonyme Pöbler =
von Peter Kurz Düsseldorf (ots) - Der Bundesgerichtshof sichert den Verfassern
von Kommentaren auf Internet-Bewertungsportalen Anonymität zu. Für
das Urteil lassen sich gewiss gute Gründe finden. Allen voran dieser:
Der Gesetzgeber hat eben diese Anonymität gewollt - dann darf auch
das höchste Zivilgericht eine solche Vorgabe nicht einfach aushebeln.
Dennoch ist der Richterspruch unbefriedigend. Ist er doch so etwas
wie ein Freifahrtschein für Cybermobbing. Natürlich ist die von den
Befürwortern der Netz-Anonymität ins Feld geführte Meinungsfreiheit mehr...
- Allg. Zeitung Mainz: Der Ruf ist ruiniert / Kommentar zu Sarkozy Mainz (ots) - Auch für Nicolas Sarkozy hat selbstverständlich die
Unschuldsvermutung zu gelten, bevor er nicht rechtskräftig verurteilt
ist. Und doch legt die Festnahme des ehemaligen Präsidenten - ein bis
dahin einmaliger Vorgang - die Vermutung nahe, dass die
Ermittlungsbehörden durchaus handfeste Belege für ihre Vorwürfe in
der Hand halten. Immerhin ist Sarkozy Anfang des Jahres über Monate
abgehört worden, was gleichfalls für konkrete Verdachtsmomente
spricht. Es geht um die womöglich illegale Finanzierung des
Wahlkampfs im Jahr mehr...
- Allg. Zeitung Mainz: Sumpfblüten / Kommentar zum Netz-Urteil des BGH Mainz (ots) - Anonyme Kommentare im_Netz sind feige. Nur in den
seltensten Fällen muss man seinen Namen wirklich schützen. Und wenn
es so weit ist, sucht man sowieso besser die Polizei oder einen
Anwalt auf als sich im_Internet auszulassen. Aber auch lautere Motive
darf man keineswegs bei jeder nicht zurückverfolgbaren Äußerung
unterstellen. Insofern darf man also fragen, was die Karlsruher
Richter dazu bewogen hat, ihr Urteil zu sprechen. Pöbelei und dem
Pranger-Unwesen sind damit Tür und Tor geöffnet. Es wird eine
Geisteshaltung mehr...
- BERLINER MORGENPOST: Die Verweigerer werden belohnt/ Ein Leitartikel von Andreas Abel Berlin (ots) - Das Hickhack um die von Flüchtlingen und ihren
Unterstützern besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule ist kaum noch zu
verstehen. Am Dienstag hat der Baustadtrat von
Friedrichshain-Kreuzberg, Hans Panhoff (Grüne), die Polizei
eingeschaltet. Das war angesichts der einwöchigen Blockade eines
Kiezes überfällig. Sein Amtshilfeersuchen beinhaltet die Räumung der
Schule, wie er selbst erklärt - aber zunächst solle die Polizei
verhandeln. Die Verhandlungen haben nun nicht etwa zum Ziel, dass die
Besetzer ausziehen. Nein, es reiche, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|