BDI und MEDEF: Ein Aufruf für Wachstum und Beschäftigung in Europa
Geschrieben am 11-07-2014 |
Berlin (ots) - Deutsch-französische Industrieallianz:
Ein Aufruf für Wachstum und Beschäftigung in Europa GEMEINSAME
VORSCHLÄGE VON BDI UND MEDEF
Die Welt befindet sich im Umbruch. In einer globalisierten
Weltwirtschaft kann kein europäisches Land allein Antworten auf die
globalen Herausforderungen geben. Europa hat die Wahl: Wir werden
gemeinsam erfolgreich sein oder getrennt in der Bedeutungslosigkeit
versinken.
BDI und MEDEF sind überzeugt: Europa muss weitaus mehr auf seine
einzigartige Stärke bei der grenzüberschreitenden Produktion in
wettbewerbsfähigen Wertschöpfungsketten aufbauen. Die starke
wirtschaftliche Verflechtung zwischen der deutschen und französischen
Industrie führt zu global wettbewerbsfähigen Produkten und schafft
Wachstum und Beschäftigung in unseren beiden Ländern und darüber
hinaus. Wir werden bilateral und in Europa nur erfolgreich sein, wenn
wir den aktuellen Trend der wirtschaftlichen und politischen
Divergenz stoppen: zugunsten eines Prozesses für Wachstum und
Beschäftigung.
Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass unsere beiden
Regierungen Strukturreformen umsetzen und die öffentlichen Haushalte
konsolidieren.
Der Europäische Rat vom 26. - 27. Juni und die Studie des
Europäischen Parlaments "Mapping the Cost of Non-Europe, 2014-2019"
haben Schlüsselbereiche für Wachstum und Beschäftigung in den
nächsten fünf Jahren identifiziert: eine gemeinsame europäische
Energiepolitik, ein vollständig integrierter Binnenmarkt, eine
ambitionierte Handelspolitik und stärkere Integration im Euroraum und
im Bereich der Finanzmärkte.
Eine Woche vor der Wahl des Präsidenten der Europäischen
Kommission und dem Europäischen Rat am 15. bzw. 16. Juli rufen wir
die EU-Institutionen auf, zusammenzukommen und gemeinsam an einem
wachstumsorientierten Programm und einer Governance-Struktur für die
nächste EU-Kommission zu arbeiten.
Wir, die deutsche und die französische Industrie, sind überzeugt,
dass eine positive Wachstumsagenda für Europa eine neue
Arbeitsstruktur für die Kommission und eine begrenzte Anzahl an
Schlüsselprioritäten umfassen sollte:
I-Ein tief greifender Wandel der Governance der EU-Kommission Wir
unterstützen den Vorschlag, innerhalb der Kommission für mehr
Kohärenz zu sorgen. Fachzuständigkeiten sollten künftig bei einer
begrenzten Zahl von Vizepräsidenten gebündelt werden. Ihnen würden
die übrigen Kommissare fachlich unterstellt. Priorität sollte dabei
die Bildung eines starken wirtschaftspolitischen Clusters haben, das
nicht zuletzt die Industrie- und Energiepolitik umfasst. Innerhalb
der EU-Kommission muss sichergestellt werden, dass alle neuen
politischen Initiativen und Gesetzesvorschläge systematisch und
transparent auf ihre Wettbewerbsfähigkeitswirkungen geprüft werden.
Dabei sollten alle relevanten Stakeholder frühzeitig einbezogen
werden.
II-Ein ehrgeiziges Arbeitsprogramm für Wachstum und Beschäftigung
Um Wachstum und Jobs in den 28 EU-Mitgliedstaaten zu schaffen, sollte
die EU bei fünf Schlüsselprioritäten ansetzen:
1-Konvergenz zwischen Industrie-, Energie- und Klimapolitik
stärken!
20 Prozent Industrieanteil am BIP zu erreichen, wie es die
Kommissionsmitteilung "Eine stärkere europäische Industrie bringt
Wachstum und wirtschaftliche Erholung" vom Oktober 2012 fordert,
sollte eines der Hauptziele der Europäischen Union werden.
Europa braucht eine gemeinsame europäische Energiepolitik, die es
den Energieversorgern und der Industrie ermöglicht, zu einer
wettbewerbsfähigen und nachhaltigen industriellen Wertschöpfungskette
beizutragen, den Anstieg der Energiepreise begrenzt und
Wettbewerbsverzerrungen in der EU vermeidet. Die langfristige
Stabilisierung der Elektrizitäts- und Gaspreise für die
energieintensiven Industrien ist dabei besonders wichtig.
Energieeffizienz ist ein wesentlicher Pfeiler, um die Energiewende
zu meistern und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Effizienzgewinne müssen in den Sektoren mit dem höchsten Potenzial
realisiert werden - wie z.B. dem Bau- und dem Transportsektor. Neue
Maßnahmen müssen eine Doppelregulierung für die Industrien vermeiden,
die bereits vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Der Fokus sollte auf
einzelnen Sektoren und der bereits bestehenden Gesetzgebung liegen.
Erneuerbare Energien müssen entwickelt und schrittweise in die
regulären Märkte integriert werden.
Politikansätze und Finanzierungsinstrumente in den Bereichen
Forschung & Entwicklung sollten weniger weit entwickelte Technologien
(upstream) und wettbewerbsfähige industrielle Lösungen (downstream)
unterstützen - insbesondere im Bereich der Energieeffizienz, in dem
die kosteneffektivsten Lösungen gefördert werden müssen.
Die Vollendung des Energiebinnenmarktes mit der Umsetzung des
Dritten Energiebinnenmarktpakets und der Entwicklung entsprechender
Infrastrukturen sollte eine absolute Priorität darstellen, um eine
zuverlässige und ununterbrochene Elektrizitäts- und Gasversorgung zu
gewährleisten.
Wir fordern eine neue Konvergenz der Industrie-, Energie- und
Klimapolitik für den Zeit-raum 2020 bis 2030. Um eine ausgewogene
EU-Energie- und Klimapolitik zu erreichen, müssen drei Prioritäten
gesetzt werden: Nachhaltigkeit, interne und externe
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und
Versorgungssicherheit. Die EU sollte sich ein Ziel zur Reduktion von
CO2-Emissionen setzen. Das von der Kommission vorgeschlagene 40
Prozent-Reduktionsziel sollte nur verfolgt werden, wenn beim
Klimagipfel 2015 in Paris ein zufriedenstellendes internationales
Abkommen geschlossen wird. Die Energie- und Klimapolitik muss mit dem
Appel "Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie", der
parallel zu den Vorschlägen für das Energie- und Klimapaket 2030
lanciert wurde, und dem 20 Prozent-Industrieanteilsziel in Einklang
gebracht werden.
2-Einen vollständig integrierten Binnenmarkt schaffen!
Der Ausbau der transeuropäischen Infrastruktur ist eine notwendige
Voraussetzung dafür, dass Unternehmen und Regionen das Potenzial des
Binnenmarktes voll ausschöpfen können.
EU-Finanzmittel sollten öffentliche Investitionen der
Mitgliedstaaten ergänzen und sich auf die Netzabschnitte fokussieren,
die der Privatsektor nicht bereitstellt.
Europäische Finanzierung für transeuropäische Transportnetzwerke
(TEN-T) sollte auf Projekte zielen, die Engpässe beseitigen und zur
Entwicklung des einheitlichen europäischen Wirtschafts- und
Verkehrsraumes beitragen.
Die Connecting Europe Facility sollte insbesondere der
Finanzierung von Netzwerken der neuen Generation dienen. Dies ist für
die Umsetzung des digitalen Binnenmarktes zentral. Europa braucht
einheitliche Datenschutzvorschriften. Eine Datenschutzverordnung, die
die richtige Balance zwischen dem Bedarf an einem freien Datenfluss
und der Stärkung des Verbrauchervertrauens schafft, ist wesentlich
für den digitalen Binnenmarkt.
Die Kommission muss mit Hilfe des Wettbewerbsrechts entschieden
gegen wettbewerbs-widrige Praktiken vorgehen, wo immer diese
Innovation behindern oder die Verbraucher schädigen und somit
Vertrauen untergraben.
Die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen u.a. in den
Bereichen Telekommunikation, Energie und Transport ist wesentlich.
Die EU sollte ihre Anstrengungen verstärken, damit bereits
beschlossene Maßnahmen besser implementiert und durchgesetzt werden
und eine regelmäßige Evaluierung erfolgt.
3-Die Marktöffnung weltweit vorantreiben!
Die Kommission sollte eine ambitionierte Handelspolitik verfolgen,
die auf die Öffnung von Märkten weltweit für Handel und Investitionen
zielt.
Auf multilateraler Ebene sollte das Bali-Paket über
Handelserleichterungen schnell und effizient umgesetzt werden.
Zusätzlich sollte sich die Welthandelsorganisation (WTO) mit anderen
offenen Themen der Doha-Runde auseinandersetzen, etwa mit der
Liberalisierung von Dienstleistungen und dem Marktzugang für
Industriegüter.
Weitere Schlüsselbereiche sind der Zugang zu öffentlichen
Beschaffungsmärkten und der Kampf gegen illegale und unfaire
Subventions- und Dumpingpraktiken (z.B. Exportsubventionen). Zudem
müssen neue Investitionsvorschriften, klare Wettbewerbsregeln und
Regeln für Handelserleichterungen ausgearbeitet werden.
Die EU sollte eine kohärente Strategie für bilaterale
Freihandelsabkommen beschließen, die sich an ihren langfristigen
wirtschaftlichen und politischen Interessen ausrichtet.
Freihandelsabkommen zum Abbau von tarifären und nicht-tarifären
Handelshemmnissen sollten prioritär mit den wichtigsten Partnern und
Wachstumsregionen abgeschlossen werden.
Der Abschluss der Verhandlungen über eine Transatlantische
Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sollte eine klare
Priorität der nächsten Kommission sein. Um das Wachstums- und
Beschäftigungspotenzial voll auszuschöpfen, sollte TTIP zu einer
umfassenden gegenseitigen Marktöffnung genutzt werden - inklusive der
öffentlichen Beschaffungsmärkte auf allen Ebenen und der
Finanzdienstleistungen. Regulatorische Konvergenz ist zentral und
kann durch den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse erreicht
werden. Das ist insbesondere für KMUs dringend erforderlich, für die
die aktuelle regulatorische Divergenz im transatlantischen Markt in
vielen Sektoren ein unüberwindbares Hindernis darstellt.
Zollverfahren sollten harmonisiert werden und die EU und die USA
sollten die Gelegenheit ergreifen, um globale Regeln und Prinzipien
in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu entwickeln.
4-Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung im Euroraum
vorantreiben!
Um Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung im Euroraum
voranzutreiben, ist ein entschlossenes Vorgehen der Kommission in
folgenden Bereichen notwendig:
Die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des
Europäischen Semesters sollte streng überwacht werden.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte konsequent angewandt
werden. Die in den geltenden Regeln enthaltene Flexibilität sollte
genutzt werden, um Wachstumspolitiken und Haushaltskonsolidierung zu
unterstützen.
Der Beschluss des Europäischen Rates für eine deutliche Vertiefung
der Integration im Euroraum durch stärkere Steuerung des
Euro-Währungsgebiets und stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung
sowie Konvergenz und Solidarität sollte unterstützt werden.
Gleichzeitig sollten wir europäische Entscheidungsfindung
dezentralisieren, wo immer es möglich ist, um den Mitgliedstaaten -
und insbesondere den Nicht-Euro-Staaten - zu erlauben,
unterschiedliche Integrationswege zu gehen.
Es sollten Vorschläge für eine stärkere Steuerharmonisierung
vorgelegt werden. Es gilt, eine gemeinsame konsolidierte
Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu schaffen. Weitere Schritte
in Richtung Steuerharmonisierung, insbesondere im Euroraum, könnten
im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit erfolgen.
5-Finanzmarktregulierung überprüfen, um Unternehmen Zugang zu
Finanzierung zu gewährleisten!
Der Zugang zu Finanzierung - insbesondere zu langfristiger
Finanzierung - muss für Unter-nehmen und v.a. für KMUs erleichtert
werden.
Der finanzpolitische Regelungsrahmen muss systemische Risiken
adäquat adressieren.
Eine umfassende Folgenabschätzung der kumulativen Auswirkungen von
unterschiedlichen Regulierungsmaßnahmen sollte durchgeführt werden.
Die Schaffung einer effektiven Bankenunion ist von entscheidender
Bedeutung, um Vertrauen zurückzugewinnen und das Bankensystem zu
stabilisieren und widerstandsfähig zu gestalten.
Die Anstrengungen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in
elf Mitgliedstaaten sollten schnellstmöglich eingestellt werden. Eine
solche Steuer hätte verheerende Auswirkungen auf die Finanzmärkte und
die Bedingungen zur Finanzierung und für Risikomanagement von
Unternehmen in diesen Ländern. Dies wäre eine ernstzunehmende Gefahr
für die betroffenen Volkswirtschaften.
Die Darlehenstätigkeit der Europäischen Investitionsbank (EIB)
sollte sich auf die Unterstützung langfristiger Investitionen
fokussieren, die den wirtschaftlichen Aufschwung und die globale
Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken.
Pressekontakt:
BDI Bundesverband der Dt. Industrie
Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Breite Straße 29
10178 Berlin
Tel.: 030 20 28 1450
Fax: 030 20 28 2450
Email: presse@bdi.eu
Internet: http://www.bdi.eu
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