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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Christine Straßer zur Urlaubskultur

Geschrieben am 29-07-2014

Regensburg (ots) - Endlich Sommerferien. Endlich weg! Und das
schnell! Sommer, Sonne, Strand und Party im Süden. All-inclusive,
versteht sich. "Relaxen am Meer und braun werden!" Das ist wohl die
gängigste Antwort auf die Frage nach den Urlaubsplänen. Jeder ist
jetzt unterwegs, sucht das Unbekannte und landet doch im schmerzlich
Bekannten: in der Blechlawine auf der Autobahn, auf dem Parkplatz
ohne freie Parklücke, in der Schlange vor dem Abflugschalter am
Flughafen. Anders gesagt: Schon mit Urlaubsbeginn hört der Spaß
wieder auf. Der niederländische Tourismuswissenschaftler Jeroen
Nawijn beschrieb eine typische "Urlaubs-Glückskurve" einmal so: Zu
Beginn der Reise ist die Laune meistens noch schlecht, erst nach zwei
bis drei Tagen steigt die Stimmung steil an. Gegen Ende fällt sie
dann wieder jäh ab. Nawjin führte das unter anderem auf die Strapazen
der An- und Abreise zurück. Ernüchternd sind die wissenschaftlichen
Erkenntnisse zu der Frage, wie lange die Erholung nach der Rückkehr
anhält. Der Gute-Laune-Puffer ist spätestens nach einem Monat
dahingeschmolzen. Die Psychologin Jessica de Bloom von der
Universität Nimwegen fasste 2009 verschiedene zu dieser Frage
erschiene Studien zusammen. Fazit: Meistens ist der Urlaubseffekt
bereits innerhalb der ersten Woche wieder verschwunden. Trotzdem ist
das Wegfahren in Deutschland selbstverständlich. In verschiedensten
Umfragen geben rund 70 Prozent der Deutschen an, ihren Haupturlaub im
Ausland zu verbringen. Das sind deutlich mehr als Engländer,
Franzosen, Spanier oder Italiener. Dummerweise bricht das Gros der
Deutschen gleichzeitig auf. So gerne fahren die Deutschen durch die
Welt, dass das Reisen für sie zu einem gesellschaftlichen Wettkampf
wird. Wie und wo geurlaubt wird, schafft Prestige - oder eben nicht.
Die Diskussion über Urlaubsorte gehört zu den häufigsten
Konversationsthemen. Und: Ist man weg, müssen Freude und Bekannte via
Facebook und WhatsApp mit Urlaubsbildern versorgt werden. Kaum ein
Fleck Erde ist vor den mobilen Deutschen sicher. Wo die Sonne
scheint, lassen sich die Touristen wie ein Heuschreckenschwarm auf
den Liegen nieder. Nichts tun müssen. Im Club tanzen. An der
Strandbar Cocktails schlürfen. Wegfahren ja, aber bloß keine
Überraschungen erleben. Was man einzupacken vergessen hatte, soll im
Urlaubsressort am besten schon da sein. Sich auf die Fremde
einzulassen, steht nicht auf dem Urlaubsprogramm. Nur: Wahre
Begeisterungsstürme kommen nach solchen Reisen selten auf. Das liegt
daran, dass Reisen, die man eingeölt in einer Hängematte verbringt,
keine erfüllenden Reisen sind. Zumindest nicht im traditionellen
Sinn, bei dem es darum geht, die Welt kennenzulernen. Nein, damit ist
nicht gemeint, sich dem Diktat der Sehenswürdigkeiten zu unterwerfen.
Den Fehler machen wiederum auch viele. Lange im voraus planen sie die
Reise intensiv und takten die Route so dicht durch, dass kaum Zeit
bleibt, um durchzuschnaufen. Erholung? Fehlanzeige! Wer nichts
vorbucht, wenig Gepäck mitnimmt und sich einfach treiben lässt, wird
misstrauisch beäugt. Als vollends verrückt gilt, wer heutzutage zu
Fuß reist. Natürlich, das ist extrem und so weit muss und kann nicht
jeder gehen. Aber es lohnt sich, seine Aufbrüche vor dem Losbrausen
in die Ferien zumindest einmal zu hinterfragen. Denn Reisen ist nicht
einfach nur ein Wechsel des Ortes. Reisen bedeutet, sich auf die
Fremde einzulassen und sich ihr auszusetzen - ganz in Ruhe. So ein
Urlaub macht am meisten Spaß - auch noch Jahre später, weil man
unvergessliche Erinnerungen mitbringt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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