Weser-Kurier: Kommentar von Ben Zimmermann über deutsche Waffenlieferungen
Geschrieben am 13-08-2014 |
Bremen (ots) - Man mag kaum glauben, was in den vergangenen Tagen
passiert ist: Erst fordert Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, den
Kurden im Irak deutsche Waffen zu schicken, dann schlägt
Grünen-Wehrexperte Omid Nouripour den Einsatz der deutschen Luftwaffe
in der Konfliktregion vor. Zwei Politiker von Parteien also, die den
Pazifismus wie eine Monstranz vor sich her tragen oder sich aus der
Friedensbewegung definieren. Doch längst nicht nur diese beiden
Einlassungen zeigen, dass in der deutschen Außen- und
Sicherheitspolitik gerade sehr viel in Bewegung gerät. Es scheint
fast so, als habe Joachim Gauck eine prophetische Eingebung gehabt,
als er vor einigen Monaten eine bedeutendere weltpolitische Rolle
Deutschlands anmahnte. Was der Bundespräsident da eher abstrakt
einforderte, wird nun auf einmal ganz konkret: Wie weit ist
Deutschland bereit, sich international einzumischen, wenn schlimmste
Verbrechen drohen (oder bereits begangen werden)? Die jetzt
beschlossenen Lieferungen - und die, die eventuell noch folgen werden
- scheinen ohne Alternative zu sein. Ein Rettungseinsatz für die akut
gefährdeten Jesiden und Kurden. Denn nicht zu handeln kann unter
Umständen schlimmer sein, als das im Nachhinein Falsche zu tun. Und
dass mit ihnen nicht zu verhandeln ist, daran lassen die Schlächter
der ISIS keinen Zweifel. Die Bedenken allerdings schafft das nicht
aus der Welt: Setzen die Peschmerga das Material später gegen die
Zentralregierung in Bagdad ein, um ihre Unabhängigkeit durchzusetzen?
Oder liefern sie es über die Grenze zu ihren kurdischen Brüdern und
Schwestern in der Türkei, um deren Autonomiebestrebungen gegen Ankara
zu unterstützen? Jenseits der Frage der Rüstungslieferungen jedoch
sollte die aktuelle Krise ein Weckruf sein: Deutschland muss sich der
von Gauck angestoßenen Debatte stellen - und erwachsen werden. Nicht
aus Großmannssucht heraus, sondern weil es die Welt schon lange
erwartet und es im eigenen Interesse liegt. Das hat mit dem bösen
Vorwurf der Kriegstreiberei nichts zu tun - dafür sehr viel mit
Verantwortung.
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Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
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