Bestandsmarktreport 2014: Nutzen teurer Präparate im Bestandsmarkt nicht belegbar
Geschrieben am 20-08-2014 |
Berlin (ots) - Patentgeschützte Medikamente haben oft keinen
Zusatznutzen für die Patienten. Zu diesem Ergebnis kommt das Team um
Professor Dr. Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Uni
Bremen. Die Wissenschaftler hatten mit Unterstützung der Techniker
Krankenkasse (TK)17 Wirkstoffe - unter anderem neue Mittel gegen
Diabetes und Blutgerinnungshemmer - anhand von Kriterien der
evidenzbasierten Medizin und auf Basis von TK-Verordnungsdaten
analysiert. Glaeske: "Keiner der untersuchten Wirkstoffe hat es in
der Ampel-Bewertung auf 'grün' geschafft. Die Präparate sind sehr
teuer, haben häufig aber gegenüber bisher verfügbaren Mitteln keinen
wesentlichen Zusatznutzen für den Patienten. Damit sind auch höhere
Preise nicht gerechtfertigt."
Nur für Präparate mit einem Zusatznutzen sollen die
Pharmaunternehmen auch einen höheren Preis verlangen dürfen. Das ist
die zentrale Aufgabe der frühen Nutzenbewertung, die der Gesetzgeber
mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt hat.
Ursprünglich sollten nicht nur neu auf den Markt kommende Medikamente
bewertet werden, sondern auch Mittel des sogenannten Bestandsmarkts.
Davon ist der Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit wieder
abgerückt.
Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: "Politisch mag diese
Entscheidung nachvollziehbar sein. Der vorliegende
Bestandsmarktreport zeigt jedoch, dass es aus fachlicher Sicht
keineswegs entbehrlich ist, auch bereits auf dem Markt befindliche
Arzneimittel auf ihren Zusatznutzen hin zu untersuchen. Dabei geht es
nicht allein um Geld, das möglicherweise unnötig ausgegeben wird,
sondern ganz wesentlich auch um die Versorgungsqualität der
Patienten."
Die TK verspricht sich von dem Report eine größere Transparenz und
einen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie. Sie
integriert die gewonnenen Erkenntnisse in die Informationen, die sie
Ärzten anbietet.
Für den Bestandsmarktreport wurden 17 Arzneimittel aus drei
Wirkstoffgruppen untersucht. Darunter die "neuen oralen
Antikoagulantien" (NOAK) zur Blutgerinnungshemmung, neuere
Antidiabetika (GLP-1-Analoga und DPP-4-Inhibitoren) sowie Biologika,
die zur Behandlung von Rheuma verordnet werden.
Die Biologika scheinen Vorteile in Bezug auf die therapeutische
Wirksamkeit, Verträglichkeit oder Therapiesicherheit zu bieten. Die
Evidenz ist jedoch nicht eindeutig oder die beobachteten
Verbesserungen fallen gering aus. Die Antidiabetika haben gegenüber
den bisher verfügbaren Arzneimitteln keine patientenrelevanten
Vorteile. Zwei von ihnen wurden von den Herstellern bereits wieder
vom Markt genommen. Entgegen der Zulassung und den Leitlinien werden
die sogenannten Gliptine in der Diabetes-Behandlung oft sogar ohne
Vortherapie eingesetzt.
Die Mehrheit der Patienten mit Vorhofflimmern wurden nicht auf die
etablierten Wirkstoffe, sondern gleich auf NOAK eingestellt, obwohl
noch viele Unsicherheiten im Umgang mit diesen Präparaten bestehen.
Die Gesamtbewertung aller aufgeführten Biologika zeigt eine "gelbe
Ampel". Aufgrund fehlender Direktvergleiche zwischen den Wirkstoffen
konnten die Autoren nicht herausarbeiten, welcher der Wirkstoffe
besser oder schlechter geeignet ist. "Das zeigt, dass dringend
direkte Vergleichsstudien zwischen den Wirkstoffen erforderlich
sind", so Glaeske.
In einem Sonderkapitel befasst sich der Bestandsmarktreport mit
dem Marktzugangsweg einiger Präparate. Im Ergebnis ist es vom
jeweiligen Wirkstoff abhängig, ob Krankenhäuser häufig "Einfallstore"
für teure Arzneimittel sind. Der Report macht Wege transparent, auf
denen einzelne Arzneimittel wie z.B. das Schmerzmittel Targin® in den
Verordnungsalltag gelangen. Auf dieser Basis lassen sich Gespräche
mit Klinikern und niedergelassenen Ärzten führen, mit dem Ziel, die
Qualität der Arzneimittelversorgung zu verbessern.
Hintergrund für die Redaktionen:
Die Analyse im Bestandsmarktreport verlief nach zwei
Vorgehensweisen: Zum einen wurden Studien und Leitlinien der
relevanten Indikationen ausgewertet. Zum anderen wurden
Verordnungsdaten der TK in Bezug auf statistische Charakteristika und
Auffälligkeiten geprüft, die Aussagen über Schlüssigkeit und
Angemessenheit der untersuchten Verordnungen erlauben. Die Bewertung
erfolgte anhand der bereits etablierten, ursprünglich für den
Innovationsreport entwickelten Methodik. Sie umfasst die Bewertung
des Wirkstoffs in drei Kategorien: Vorliegen einer verfügbaren
Therapiealternative, patientenrelevanter (Zusatz-)Nutzen und Kosten
im Vergleich zu bisher verfügbaren Arzneimitteln. Allen Präparaten
mangelt es an direkten Vergleichen zu Therapiealternativen, wodurch
belastbare Aussagen über einen Zusatznutzen für den Patienten oft
nicht möglich sind.
Neben dem Bestandsmarkreport stellt die TK niedergelassenen
Medizinern weitere Informationsangebote zur Verfügung. Dazu gehören
in erster Linie der sogenannte TK-Arzneimittelreport (TK-AMR) und der
Innovationsreport. Auf Wunsch erhalten niedergelassene Ärzte für
jedes Quartal einen individuellen Verordnungsreport. Dieser zeigt den
Ärzten unter anderem an, ob sie neue Arzneimittel tatsächlich bei
solchen Erkrankungen verordnet haben, bei denen das Präparat einen
echten Zusatznutzen aufweist. Zudem erhalten Abonnenten des
Arzneimittelreports praxisrelevante Zusammenfassungen der Ergebnisse
zur frühen Nutzenbewertung - die sogenannten AMNOG-News. Darüber
hinaus etabliert die TK derzeit zusammen mit der Kassenärztlichen
Vereinigung Westfalen-Lippe ein Projekt, um die am Zusatznutzen
orientierte Verordnung neuer Arzneimittel zu fördern.
Die digitale Pressemappe mit dem vollständigen Report, den
gezeigten Charts, den Statements und der Pressemitteilung finden Sie
unter www.presse.tk.de (Webcode 656576).
Pressekontakt:
TK-Pressestelle
Für Rückfragen: Dennis Chytrek
Tel. 040-6909-1783
E-Mail: pressestelle@tk.de
Social Media Newsroom: www.newsroom.tk.de
Twitter: www.twitter.com/TK_Presse
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