Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar
Einkommen und Kaufkraft
Stadtluft macht arm
BERNHARD HÄNEL
Geschrieben am 25-08-2014 |
Bielefeld (ots) - Stadtluft macht frei", hieß es im Mittelalter.
Ein in einer Stadt wohnender Unfreier konnte nach damaligem Recht
nach Jahr und Tag nicht mehr von seinem Dienstherrn zurückgefordert
werden. Lang ist's her, denn dieses Rechtsgefälle ist nur noch
Geschichte. Heute gibt es ein anderes Gefälle zwischen dem ländlichen
Raum und den Städten. Das Armutsrisiko ist in den Städten bedeutend
höher als auf dem flachen Land, denn in der Stadt ist der Euro meist
weniger wert. Nicht allein die Höhe des Einkommens entscheidet also
über das Armutsrisiko, sondern zuvorderst die Kosten für Miete,
Kinderbetreuung oder auch das Gläschen Bier in der Kneipe um die
Ecke. Wie immer, wenn es um reale oder strukturelle Armut geht,
fallen einem die neuen Bundesländer ein, in denen die Alarmstufe Rot
gilt. Dass dies pauschal längst nicht mehr so ist, zeigt die aktuelle
Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft glasklar. Denn auch im
Westen ist längst nicht alles im grünen Bereich. In Städten wie Köln,
Bremerhaven, Frankfurt am Main und im Westen Berlins ist die
Kaufkraftarmut häufig ausgeprägter als in vielen ostdeutschen
Regionen. Westdeutscher Armutsschwerpunkt aber bleibt das Ruhrgebiet.
Milliarden wurden an Investoren wie Opel oder Nokia gezahlt. Mit den
bekannten Folgen. Der Mittelstand, Motor der deutschen Wirtschaft,
macht einen weiten Bogen um das Ruhrgebiet. Wo die Wirtschaft
mittelständisch geprägt ist, etwa in Ostwestfalen-Lippe, läuft es
meist deutlich besser. Dass die Region OWL in der Studie so gut
abschneidet, liegt daran wie an ihrer ländlichen Prägung. Gesicherte
Einkommen - wenn auch bei weitem nicht für alle Menschen - und eine
gesunde Wirtschaftsstruktur waren und sind das Erfolgsrezept für OWL.
Dass Stadtluft arm macht, kann sich die Bundesrepublik nicht auf
Dauer leisten. Zumal wegen der demografischen Entwicklung immer mehr
Menschen in die Ballungsgebiete ziehen. Wenn 2019 der Solidarpakt
ausläuft, muss neu nachgedacht werden. Nun sind die Städte dran,
vornehmlich im Westen, und die Ballungsräume drum herum. Sie
beherbergen viele Menschen mit Kaufkraftarmut: Arbeitslose,
Alleinerziehende und Menschen mit ausländischen Wurzeln.
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Neue Westfälische
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Telefon: 0521 555 271
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