ROG schockiert über anhaltende Repressionen gegen Journalisten in Aserbaidschan
Geschrieben am 27-08-2014 |
Berlin (ots) - Reporter ohne Grenzen kritisiert die jüngste Welle
von Repressionen und Gewalt gegen Journalisten und
Menschenrechtsgruppen in Aserbaidschan. Seit 14. Mai dieses Jahres
hat Aserbaidschan den Vorsitz des Europarates inne. Als Mitglied des
Europarats hat sich die Bakuer Regierung den Grundwerten der
Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet. Gleichzeitig aber
geht sie in Aserbaidschan selbst einmal mehr gezielt gegen Aktivisten
und Journalisten vor.
"Die Behörden in Aserbaidschan wollen offenbar die letzten
kritischen Stimmen zum Schweigen bringen", sagt ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr in Berlin: "Wir fordern die Regierung in Baku dazu
auf, unabhängige Medien nicht länger zu drangsalieren und kritische
Journalisten endlich frei arbeiten zu lassen. Auch die deutsche
Bundesregierung sollte eindringlich an Aserbaidschan appellieren,
dass sich das Land an die Grundrechte und Werte hält, die es im
Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention mitunterzeichnet
hat."
Am 22. August wurde der unabhängige Journalist und
Menschenrechtsaktivist Ilgar Nasibow in der Stadt Nachitschewan, der
Hauptstadt der gleichnamigen Autonomen Republik im Westen
Aserbaidschans brutal zusammen geschlagen. Nasibow wurde mit mehreren
Knochenbrüchen im Gesicht und an den Rippen auf die Intensivstation
eines Krankenhauses eingeliefert, die Ärzte befürchteten zunächst
sogar eine Hirnblutung.
Nasibows Ehefrau Malahat Nasibowa vermutet die aserbaidschanischen
Behörden hinter dem Anschlag. Sowohl ihr Ehemann als auch sie selbst,
eine freie Journalistin für die unabhängige Nachrichtenagentur Turan,
sind in der Vergangenheit mehrmals bedroht worden. Bereits im Jahr
2007 war Nasibow zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Schon am 6.
August dieses Jahres hatte jemand versucht, in die Wohnung des
Ehepaars einzubrechen. Da die Familie des Opfers die Kosten für die
medizinische Behandlung alleine nicht begleichen kann, wird sich
Reporter ohne Grenzen im Rahmen seiner Nothilfearbeit daran
beteiligen.
Die aserbaidschanischen Behörden sind in den vergangenen Wochen
auch gegen eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen vorgegangen.
Am 5. August dieses Jahres wurden die Konten von rund einem Dutzend
NGOs geschlossen, darunter jene vom "Institute of Reporters Freedom
and Safety" (IRFS), von der US-amerikanischen Organisation IREX, die
unter anderem unabhängige Medien fördert und vom "Media Rights
Institute". Auch die persönlichen Konten von Rashid Hajili, dem
Vorsitzenden des Media Rights Institutes und von IRFS-Direktor Emin
Huseynow wurden eingefroren.
Einen Tag später teilten die Behörden Huseynow mit, er dürfe das
Land nicht länger verlassen. Am 8. August wurden die Büros von IRFS
durchsucht, darunter Akten mit juristischen Gutachten, Computer und
weitere elektronische Geräte. Obwohl die Beamten keinerlei
gerichtliche Befugnis hatten, forderten sie die Mitarbeiter im
IRFS-Büro am 11. August dazu auf, ihren Arbeitsplatz zu verlassen.
Anschließend versiegelten sie die Räumlichkeiten.
Oppositionsmedien geraten systematisch unter Druck
Auch die wichtigste Oppositionszeitung von Aserbidschan, Azadliq,
ist in den vergangenen Wochen erneut in Bedrängnis gekommen und
musste vorübergehend den Druck einstellen. Grund dafür ist, dass das
staatliche Vertriebsunternehmen GASID Rechnungen von Azadliq in Höhe
von umgerechnet rund 67 000 Euro nicht beglich. Azadliq kam dadurch
in finanzielle Schwierigkeiten und konnte wiederum seine Rechnungen
bei einer staatlichen Druckerei nicht bezahlen, weshalb diese den
Druck der Zeitung einstellte.
Unabhängige Medien werden in Aserbaidschan systematisch
benachteiligt. Die staatliche Kontrolle des Anzeigenmarktes macht es
etwa für Azadliq so gut wie unmöglich, Einnahmen aus Werbung zu
erzielen. Da Zeitungen seit 2011 nicht mehr an Straßenständen und
seit 2013 auch nicht mehr in U-Bahnhöfen verkauft werden dürfen, sind
die Erträge des Blattes zudem um ein Drittel zurückgegangen. Diese
Zwänge haben die Abhängigkeit von dem staatlichen
Vertriebsunternehmen GASID erhöht, doch auch der darüber geregelte
Erlös geht zurück, denn immer weniger Geschäfte in Aserbaidschan
verkaufen überhaupt noch unabhängige Zeitungen. Schon 2012 und 2013
trieben ausstehende GASID-Zahlungen Azadliq in die Insolvenz und die
Zeitung konnte bereits damals vorübergehend nicht erscheinen.
Mehrere kritische Journalisten und Menschenrechtsaktivisten sind
in den vergangenen Wochen ebenfalls bedroht und verhaftet worden. Am
30. Juli wurden etwa die bekannte Bürgerrechtlerin Leyla Yunus und
ihr Ehemann Arif Yunus inhaftiert. Die Anklage wirft den beiden unter
anderem Spionagetätigkeit für Armenien vor. Am 2. August wurde auch
der Informationsaktivist Rasul Jafarow festgenommen - wegen
angeblicher Steuerhinterziehung. Jafarow war einer der Mitbegründer
der Kampagne "Sing for Democracy", mit der er im Jahr 2012 rund um
den Eurovision Song Contest auf die Menschenrechtslage in seiner
Heimat aufmerksam machte. Reporter ohne Grenzen hat damals mit ihm
kooperiert.
Auch der unabhängige Journalist Rauf Mirkadirow sitzt bereits seit
Ende April mit dem Vorwurf der Spionagetätigkeit hinter Gittern. Am
15. Juli verlängerte ein Gericht in Baku auf Bitten der
Staatsanwaltschaft die eigentlich auf drei Monate begrenzte
Untersuchungshaft um weitere vier Monate. Mirkadirow war am 18. April
dieses Jahres aus der Türkei nach Aserbaidschan abgeschoben und bei
der Ankunft direkt verhaftet worden. In der Türkei hatte er als
Korrespondent für mehrere regierungskritische Zeitungen in
Aserbaidschan geschrieben. Reporter ohne Grenzen hat Mirkadirows
Ehefrau und den beiden Töchtern des Ehepaares während der vergangenen
Monate geholfen, die Türkei zu verlassen. Sie leben nun in der
Schweiz und hoffen dort auf einen sicheren Aufenthalt.
Auf der aktuellen ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht
Aserbaidschan auf Platz 160 von 180 Ländern. Reporter ohne Grenzen
betrachtet Präsident Ilcham Alijew zudem als einen der Feinde der
Pressefreiheit. Weitere Meldungen zur Lage in dem Land finden Sie
unter http://en.rsf.org/azerbaijan.html.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29
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