Mittelbayerische Zeitung: Auf dem Gillamoos beharkt die SPD die CSU, als ob es keine große Koalition gäbe. Leitartikel von Christine Schröpf
Geschrieben am 08-09-2014 |
Regensburg (ots) - Déjà-vu am Gillamoos: Die Pkw-Maut war 2013 ein
Hauptthema, ein Jahr später ist sie es immer noch. Und wieder ist die
Gefechtslage ähnlich. Alle schimpfen auf die CSU: Grüne, Freie Wähler
- und auch die SPD, als gäbe es in Berlin nicht inzwischen eine große
Koalition, die die Straßenverkehrsabgabe vertraglich vereinbart hat.
Doch was soll sich die SPD zurückhalten, wenn auch die CDU trotz
immer neuer Machtworte von Kanzlerin Angela Merkel kräftig gegen das
CSU-Wunschprojekt rempelt? So kam es am Gillamoos zur
skurril-lustigen Situation, dass Bayerns SPD-Chef Florian Pronold -
Staatssekretär im Bundesumweltministerium - seinen Kabinettskollegen
Alexander Dobrindt einen "politischen Geisterfahrer" nennt und die
große Koalition im Nebeneffekt erneut das Bild eines unkoordinierten
Hühnerhaufens abgibt. Verwunderlich ist dabei nicht, dass es bei der
Maut wegen rechtlicher Hürden enormen Diskussionsbedarf gibt, sondern
dass die Koalitionäre keinen anderen Ort für den Schlagabtausch
finden. Der Gillamoos ist zwar traditionell Schauplatz für politische
Muskelspiele - allerdings zwischen Regierung und Opposition. Die
Redeschlacht am politischen Montag läutet üblicherweise das Ende der
politischen Sommerpause ein. Viel Ruhe war allerdings dieses Mal
nicht, vor allem für die CSU, nicht nur wegen der Maut. Der Fall
Haderthauer hat über Wochen hinweg das Ansehen der Partei ramponiert.
Mit dem Rücktritt der bayerischen Staatskanzleichefin ist die Affäre
längst nicht ausgestanden. Ministerpräsident und CSU-Chef Horst
Seehofer drohen weitere Negativschlagzeilen. Die Opposition wird die
Sondersitzung zum Fall Haderthauer in der kommenden Woche zur
Generalabrechnung mit seiner Regierung nutzen - und im geplanten
Untersuchungsausschuss kontinuierlich nachlegen. Unangenehm könnte
zudem das nächste Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zu
den Auskunftspflichten der Staatsregierung werden, das schon an
diesem Donnerstag fällt. In der Verwandtenaffäre hatten die Richter
schon einmal mehr Offenheit angemahnt. Nun geht es um verwehrte
Informationen zum Steuerfall Uli Hoeneß, die die Grünen einklagen
wollen. Das größte Problemfeld Seehofers im Herbst ist allerdings
nicht größtenteils hausgemacht: Der starke Flüchtlingsstrom im Herbst
erfordert Notfallpläne, die erstmals heute im Kabinett diskutiert
werden sollen. Das erste Jahr nach den Wahlen läuft damit weit
holperiger, als es sich die CSU wünschen kann. Erfolge bei
Betreuungsgeld und Mütterrente verblassen angesichts des Bergs an
Schwierigkeiten. Doch auch wenn die Partei derzeit auf vielen Feldern
ein schlechtes Bild abgibt, kann von Bedeutungsschwund der Partei
noch nicht die Rede sein. Allein, dass sich derzeit alle mit der
angeblich immer unwichtiger werdenden CSU beschäftigen, beweist das
Gegenteil. Doch das kann sich rasch ändern, wenn für die Probleme
nicht zügig Lösungen gefunden werden. Seehofer weiß das. Am
Prestigeprojekt Maut hängt seine eigene Glaubwürdigkeit. Spätestens
nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg wird sich der
Ton in der großen Koalition verschärfen. Seehofers Ordnungsruf an
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, aus dessen Haus am Wochenende
die möglichen Mautgewinne kleingeredet wurden, war nur Vorgeschmack.
Nach einem heißen Sommer steht ein heißer Herbst bevor.
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