Lausitzer Rundschau: Leben, um zu arbeiten - Bundesbürger schieben die meisten Überstunden
Geschrieben am 08-09-2014 |
Cottbus (ots) - Diesen Witz kennen wohl die meisten: In anderen
Nationen arbeiten die Menschen, um zu leben - in Deutschland leben
die Menschen, um zu arbeiten. Die jüngste Studie über die im
Euro-Raum geleisteten Überstunden bedient jenes Klischee jedenfalls
auf vortreffliche Weise. Nur, was ist daran eigentlich so schlimm?
Sicher, in vielen gut dotierten Jobs werden Überstunden schlicht
erwartet. Sie sind in der Vergütung gewissermaßen schon eingepreist.
Wenn Maloche allerdings zum Dauerstress ausartet, wenn Unternehmer
ohnehin schon dürftig bezahlten Beschäftigten die Mehrarbeit weder
vergüten noch in Freizeit ausgleichen, dann läuft tatsächlich eine
Menge schief. Auch die insgesamt rückläufige Tarifbindung in den
Betrieben mag Überstunden begünstigen, die einzig den Gewinn der
Arbeitgeber steigern, während die Beschäftigten dafür mit ihrer
Gesundheit bezahlen. Trotzdem wäre es falsch, Überstunden prinzipiell
zu verdammen. Denn der Missbrauch ist nur ein Teil der Wahrheit.
Anders als etwa in Großbritannien, wo das Bruttosozialprodukt
vornehmlich über Dienstleistungen und den Finanzsektor erwirtschaftet
wird, geht die Wirtschaftskraft in Deutschland zu einem großen Teil
auf das produzierende Gewerbe zurück. Aus der Herstellung
konkurrenzfähiger Autos oder Werkzeugmaschinen zum Beispiel. Gerade
in diesem Bereich müssen aber auch häufig Auftragsspitzen
abgearbeitet werden. Eben erst vermeldete das Statistische Bundesamt
wieder einen neun Exportrekord. Ohne Überstunden wäre der sicher
nicht möglich gewesen. Doch es geht nicht nur schlechthin um Rekorde.
Die große Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 hat Deutschland
nicht nur deshalb vergleichsweise schnell weg gesteckt, weil der
Arbeitsmarkt anders als in anderen Staaten weniger gesetzlich
zementiert war. Der Erfolg resultierte vor allem aus den flexiblen
Arbeitszeitkonten in vielen deutschen Unternehmen. Damit wurden
angehäufte Überstunden "abgefeiert" und Entlassungen verhindert. Im
Ernstfall können Überstunden also auch eine arbeitsplatzssichernde
Maßnahme sein. Und Hand aufs Herz: Es gibt auch nicht wenige
Beschäftigte, denen der Mehrverdienst durch Überstunden, oder die
gewonnene freie Zeit an anderen Tagen, sehr gelegen kommt. Und die
deshalb wenig über Arbeitszeitverkürzungen begeistert wären, wie sie
politisch immer wieder gefordert werden. Übrigens ist es auch
keineswegs so, dass das Überstundenvolumen in Deutschland exorbitant
gestiegen wäre. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen ist es seit
den 1990er Jahren im Gegenteil sogar weitgehend konstant geblieben.
Nicht die Überstunden sind am Ende das Problem, sondern, wie mit
ihnen umgegangen wird.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de
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