Westdeutsche Zeitung: Inlandspresse/Westdeutsche Zeitung zu: Sterbehilfe
Geschrieben am 16-10-2014 |
Düsseldorf (ots) - Kommentar Die verspätete deutsche Diskussion um
die Sterbehilfe Am Ende geht es um Selbstbestimmung
Ulli Tückmantel
ulli.tueckmantel@wz-plus.de Als das Leben im christlichen
Abendland noch auf das Jenseits ausgerichtet war, beteten die
Menschen: "Vor einem plötzlichen Tod bewahre uns, o Herr!" Alle
Meinungsumfragen ergeben heute das genaue Gegenteil: Die Mehrheit
wünscht sich einen schnellen und schmerzlosen Tod - einen Tod, dem
kein langes Sterben vorausgehen soll, keine Lebensverlängerung um
jeden Preis. Im europäischen Vergleich ist Deutschland mit der
Debatte spät dran. Schon als der Star-Mediziner Julius Hackethal
(1921-1997) einer todkranken 69-jährigen Patientin 1984 einen Becher
mit Zyankali ans Bett stellte und ein Video dieser Sterbehilfe im
Fernsehen zeigte, war in der Bevölkerung die Zustimmung zu seiner
Forderung nach "Mitleidstötungen" groß. Doch gleichzeitig wog die
historische Last der "Vernichtung lebensunwerten Lebens" aus der
Nazi-Zeit damals noch zu schwer für eine sachliche Diskussion. Die
Debatte um die Sterbehilfe, die der Bundestag nun beginnt, wird
letztlich eine Debatte um das Selbstbestimmungsrecht sein: Wer, wenn
nicht ich, darf am Ende darüber entscheiden, wann Schluss ist?
Kirchen? Mediziner? Juristen? Erst gestern hat der Bundesgerichtshof
(BGH) die Berücksichtigung des Patienten-Willens deutlich gestärkt.
Im Fall einer Frau aus Sachsen, die ohne Heilungsaussicht seit 2009
im Wachkoma künstlich ernährt wird, müsse das zuständige Landgericht
die früher geäußerten Behandlungswünsche der Frau neu ermitteln und
zwischen ihrem Selbstbestimmungsrecht und dem Schutz des Lebens
abwägen, entschied der BGH. Er hätte sich auch gleich der Forderung
Peter Hintzes anschließen können, aus dem Schutz des Lebens dürfe für
Ärzte kein Zwang zur Qual werden. Dass der Theologe und frühere
CDU-Generalsekretär gemeinsam mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl
Lauterbach für eine liberale Lösung wirbt, ist ein gutes Zeichen. In
einer Debatte, in der es um die letzten Dinge geht, dürfen weder
fundamentalistische Eiferer noch geschäftstüchtige Angst-Verkäufer
den Ton angeben. Und es ist gut, dass der Bundestag sich ein Jahr
Zeit gibt, bevor dann über eine Regelung entschieden wird.
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Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
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