Bain-Analyse von nahezu 2.000 in Deutschland tätigen Kreditinstituten: Banken vor weiterem tief greifenden Strukturwandel
Geschrieben am 22-10-2014 |
München (ots) -
- Nicht einmal sechs Prozent der Banken verdienen derzeit ihre
Eigenkapitalkosten
- In den letzten drei Jahren lag die Eigenkapitalrendite der
Banken im Durchschnitt bei 1,6 Prozent
- Harter Wettbewerb, Niedrigzinsumfeld und verschärfte Regulierung
setzen Erträge massiv unter Druck
- Strukturanpassungen und Kostensenkungen von bis zu 30 Prozent
sind unausweichlich
- Rund 11.000 Filialen stehen in den kommenden Jahren vor der
Schließung
Deutschlands Banken stehen mitten in einem Strukturwandel, der mit
dem Umbruch der Stahlindustrie im vergangenen Jahrhundert
vergleichbar ist. In der aktuellen Studie "Deutschlands Banken 2014:
Jäger des verlorenen Schatzes" zeigt die Managementberatung Bain &
Company Ursachen und Konsequenzen des dramatischen Wandels auf. Diese
einzigartige Langzeitanalyse basiert auf Daten von nahezu 2.000
Kreditinstituten der Jahre 1970 bis 2013. Weitere Einschnitte in die
Kostenstruktur werden notwendig sein - und nur drei Geschäftsmodelle
werden sich langfristig durchsetzen: globale Universalbanken,
Regionalinstitute und Spezialisten.
Knapp 80 Prozent weniger Banken, dafür eine um das 80-fach größere
durchschnittliche Bilanzsumme, eine nahezu unveränderte
Cost-Income-Ratio und eine Eigenkapitalrendite nach Steuern, die nur
noch ein Viertel des Werts von Anfang der 1970er Jahre beträgt: Die
langfristigen Entwicklungen im deutschen Bankensektor seit der
Deregulierung Ende der 1960er Jahre machen deutlich, welche
weitreichenden Veränderungen die Branche bereits bewältigt hat und wo
ihre aktuellen Schwierigkeiten in besonderem Maß begründet liegen.
Die verbreitete Meinung, externe Faktoren und die jüngst verschärfte
Regulierung wären für die Profitabilitätsschwäche verantwortlich,
widerlegt die Auswertung der Daten von nahezu 2.000 Finanzinstituten
von 1970 bis 2013. Entscheidend ist vielmehr eine Kombination aus
nachhaltig gesunkenem Zinsüberschuss und der Kostenstruktur der
Banken. Renditestarke Banken schlagen den Wettbewerb in der Regel
dank ihres besseren Kosten- und Risikomanagements.
Schwache Eigenkapitalrenditen auf breiter Front
Das Gros der Finanzinstitute kämpft mit unzureichender
Profitabilität. In den vergangenen drei Jahren verdienten nicht
einmal sechs Prozent aller Banken ihre Eigenkapitalkosten. Dabei
schwankte die durchschnittliche Eigenkapitalrendite zwischen 7,8
Prozent bei Automobilbanken und minus 4,7 Prozent bei
Realkreditinstituten. Die beiden nach Institutsanzahl größten
Gruppen, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, kamen auf eine
Eigenkapitalrendite von 4,4 beziehungsweise 2,3 Prozent, die stark
durch negative Sondereffekte beeinflusst wird. Bain-Deutschlandchef
und Studien-Autor Walter Sinn erklärt: "Die Banken müssen alles daran
setzen, ihre Profitabilität zu verbessern. Die meisten benötigen
zusätzliches Eigenkapital. Und dessen Beschaffung fällt umso
leichter, je renditestärker eine Bank ist. Zudem beginnen Investoren,
nach Jahren karger Ausschüttungen Renditen über den Kapitalkosten
einzufordern."
Massive Kostensenkungen sind unumgänglich
Um ihre Eigenkapitalkosten von acht bis zehn Prozent zu verdienen,
müssten die Banken die Eigenkapitalrendite um durchschnittlich vier
Prozentpunkte steigern. Bain-Partner und Co-Autor der Studie Dr.
Wilhelm Schmundt sieht die Potenziale auf der Ertragsseite weitgehend
ausgeschöpft: "Die Branche befindet sich in einem
Verdrängungswettbewerb. Zudem kämpft sie mit dem Niedrigzinsumfeld
und einer verschärften Regulierung, die ihre Möglichkeiten zur
Expansion in risikoreichere Geschäftsfelder begrenzt. Es gibt keine
Alternative zu massiven Kostensenkungen."
Den Berechnungen von Bain zufolge sind Einsparungen von rund 25
Milliarden Euro notwendig. Das entspricht einer Reduzierung der
aggregierten Kostenbasis um bis zu 30 Prozent und geht mit einer
weiteren Fokussierung der Geschäftsmodelle einher. Wesentliche
strukturelle Kostenhebel sind insbesondere eine konsequente
Prozessoptimierung und Industrialisierung, die Erneuerung der
IT-Infrastruktur, ein gestrafftes Filialnetz und die Trennung von
organisatorischem Ballast. Damit verbunden wären eine weitere
Reduzierung des Filialnetzes um circa 11.000 Zweigstellen sowie ein
Abbau von etwa einem Fünftel der rund 630.000 Arbeitsplätze.
Tiefe Einschnitte in die bestehende Kostenstruktur sind einer von
fünf in der Studie identifizierten Erfolgsfaktoren zur Bewältigung
der laufenden Transformation. Hinzu kommen ein integriertes
Talentmanagement, eine zügige Digitalisierung, die Absicherung der
Ertragskraft durch konsequente Kundenorientierung sowie eine klare
Strategie. Betont Bain-Experte Schmundt: "In den vergangenen Jahren
haben sich viele Banken vorwiegend mit der Bewältigung der Krise
beschäftigt. Andere Themen fristeten meist ein Schattendasein. Nun
muss die Entwicklung einer von den Eigentümern getragenen
strategischen Agenda wieder höchste Priorität haben." Gerade die
Fokussierung der Geschäftsmodelle ist bei vielen Banken längst
überfällig, zumal sich daraus erhebliche Potenziale für
Kostensenkungen ergeben.
Drei Geschäftsmodelle mit Zukunft
Viele Geschäftsfelder wie das Transaction Banking und das
Kapitalmarktgeschäft lassen sich nur mit entsprechender Größe und
Skaleneffekten profitabel führen. Deshalb wird es zu einer deutlich
stärkeren Fokussierung der Geschäftsmodelle im Bankensektor kommen.
Der Markt dürfte sich künftig in globale Universalbanken,
Regionalinstitute und Spezialisten aufteilen. Letztere positionieren
sich über individuelle Wettbewerbsvorteile wie einen besonderen
Kundenzugang oder Skaleneffekten im Produktionsprozess. Unabhängig
vom Geschäftsmodell müssen sich alle Banken nach Überzeugung von
Bain-Deutschlandchef Sinn mit einer neuen Normalität anfreunden: "Das
Bankgeschäft wird zu einer ganz normalen Industrie - mit geringeren
Renditen und weniger Risiken. Zweistellige Eigenkapitalrenditen nach
Steuern werden die Ausnahme sein." Auf dem Weg hin zu dieser neuen
Normalität sehen sich die Banken existenzbedrohenden
Herausforderungen gegenüber. "Das Ausmaß des anstehenden
Strukturwandels ist mit dem Umbruch in der Stahlindustrie im
vergangenen Jahrhundert vergleichbar", so Sinn. "Am Ende werden
weniger, fokussierte und renditestärkere Häuser stehen."
Über die Studie
Die Analyse der langfristigen Entwicklungen und Erfolgsfaktoren im
deutschen Bankwesen basiert auf Daten der Deutschen Bundesbank, der
Europäischen Zentralbank und der Weltbank sowie den Datenbanken von
Bankscope und Hoppenstedt. Bain hat unter anderem die Abschlüsse von
nahezu 2.000 in Deutschland tätigen Finanzinstituten ausgewertet und
war so in der Lage, langfristige Veränderungen in Bilanz- und
GuV-Strukturen für die Institutsgruppen und auf Ebene einzelner
Institute seit dem Jahr 1970 im Detail zu analysieren. Der Zuschnitt
der Institutsgruppen orientiert sich an der Klassifizierung der
Deutschen Bundesbank. Darüber hinaus nutzt die Studie Ergebnisse
umfassender Umfragen und Studien von Bain im Bankensektor aus
jüngster Zeit.
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik, Bain & Company Germany, Inc.,
Karlsplatz 1, 80335 München
E-Mail: leila.kunstmann-seik@bain.com, Tel.: +49 (0)89 5123 1246,
Mobil: +49 (0)151 5801 1246
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