Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Jürgen Scharf zum Titelkampf in der Formel 1
Geschrieben am 06-11-2014 |
Regensburg (ots) - Die Formel 1 machte in den USA nicht in
Hollywood Halt, sondern in Austin. Allerdings hätte das kalifornische
Film-Mekka in dieser Saison wunderbar gepasst. Ein derart spannendes
Saisonfinale, wie es die Fans nun erleben, könnten sich selbst
Drehbuchschreiber nicht besser ausdenken. Die Macher der Rennserie
werden sich auf die Schulter klopfen - und gleichzeitig zittern. Wenn
sich die Streithähne Lewis Hamilton und Nico Rosberg in den letzten
beiden Rennen in Sao Paulo und Abu Dhabi über den Haufen fahren, wird
es eine harte Diskussion über die neuen Regeln der
Motorsport-Königsklasse geben. Viermal in Folge gewann Sebastian
Vettel zuletzt den Weltmeister-Titel. Die Dominanz des Deutschen war
für die Vermarkter der Formel 1 ein Problem. Vettel ist ein Star -
trotz seiner grandiosen Erfolge aber kein Superstar. Dafür ist der
Heppenheimer zu wenig glamourös. Da tut es den internationalen
TV-Quoten heuer gut, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben
haben und sich nun ein Duo um den Titel balgt: Hamilton und Rosberg.
Dieser teaminterne Wettkampf der beiden Mercedes-Fahrer elektrisiert
die Massen. Zum einen, weil er an legendäre Duelle wie Prost gegen
Senna erinnert, zum anderen, weil so unterschiedliche Typen
aufeinanderprallen. Hier Hamilton, der extravagante Playboy mit
Popstar-Freundin, da Rosberg, der introvertierte Fleißarbeiter, der
mit seinem Familiennamen uralten Formel-1-Adel verkörpert. Das alles
kommt aber nicht von ungefähr. Dass Vettel mit seinem Red Bull nur
noch hinterherfährt, liegt auch an den vielen neuen technischen
Vorgaben, die es für diese Saison gab. Diese waren allerdings
legitim. Die Formel 1 hat sich schon immer das Recht heraus genommen,
die Karten neu zu mischen. Mit diesem Druck müssen die Teams umgehen
können. Dass nun obendrauf aber noch ein nervenzerfetzendes
Saisonfinale erzwungen werden sollte, ist des Guten zu viel. Im
letzten Rennen in Abu Dhabi werden einfach die doppelten Punktzahlen
vergeben. Das kommt dann doch eher wie Kirmes-Boxen statt wie ein
millionenschweres Sportevent daher - und gefährlich ist es dazu. Enge
Entscheidungen hat es in der Formel 1 im letzten Rennen ohnehin immer
wieder gegeben, ganz ohne Punkte-Tricksereien. Man denke nur daran,
wie hart am Limit Michael Schumacher auf den letzten Metern beizeiten
fuhr. Gerade in dieser Saison, in der die Königsklasse mit dem
schweren Unfall von Jules Bianchi nach langer Zeit wieder einmal ihre
Verwundbarkeit erfuhr, ist es aber das völlig falsche Signal, die
Fahrer im Saisonfinale noch stärker unter Druck zu setzen. Wer mit
300 Sachen auf eine Kurve zurast, sollte nicht noch im Hinterkopf
haben: Oha, heute zählt's doppelt, also rauf aufs Gas. Hoffen wir,
dass alles gut ausgeht - und dass sich die Formel-1-Macher dennoch
besinnen und in der kommenden Saison einen Gang zurückschalten. Trotz
aller Unkenrufe könnte die Rennserie vor einer guten Zukunft stehen.
Sicher, nicht jedes Land kann es sich noch leisten, dieses Spektakel
auszurichten. Diese Probleme gibt es aber bei Olympia oder Fußball-WM
genauso. Und selbst wenn zuletzt zwei Formel-1-Teams pleite gingen:
Eine grundsätzliche Krise, wie sie bereits ausgerufen wurde, ist dies
nicht. Es ist einzig der Traum geplatzt, die
Zwei-Klassen-Gesellschaft der Rennserie aufzuweichen. Die reichen
Teams lassen sich keine Budgetbeschränkungen vorschreiben. Die
kleinen Teams fahren weiter hinterher und bleiben ohne Erfolge arm.
Das ist in der Formel 1 aber schon immer so gewesen - und das
Erfolgsrezept für die Zukunft ist ebenso ein altes. Es sind die
Menschen in den Autos, Typen wie Hamilton und Rosberg, die die Fans
an die Rennstrecke und vor die Fernseher ziehen. Mit diesen müssen
die Regelmacher verantwortungsvoll umgehen. Ein Krimi der Marke
Hollywood ist gut und schön - es sollte aber kein Horror-Film werden.
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