Lausitzer Rundschau: Putins Betrug an Russland
Zur neuen Konfrontation mit dem Westen
Geschrieben am 14-11-2014 |
Cottbus (ots) - In Russland sowieso, aber auch bei uns gibt es
Leute, die sagen, die Nato und die EU seien schuld an der derzeitigen
Eskalation, die nun sogar schon vor den Küsten Australiens
stattfindet. Sie hätten Russland gedemütigt. Der Konflikt könne nur
durch ein Einlenken des Westens beigelegt werden, zuerst bei den
Sanktionen. Die These übersieht nicht nur die Tatsache, dass mit der
Annexion der Krim zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa
wieder eine Grenzverschiebung mit Gewalt vorgenommen wurde, ein
absoluter Tabubruch. Sie verschweigt auch, dass Polen, das Baltikum
und auch die Ukraine ihre Westorientierung frei gewählt haben. Vor
allem aber verkennt die These von der westlichen Schuld oder
Mitschuld, dass die tiefere Ursache des Konfliktes das Fehlen von
Demokratie in Russland ist. Noch nie haben zwei voll entwickelte
Demokratien gegeneinander Krieg geführt. Nicht um Gebiete, nicht um
Vorherrschaften, nicht um wirtschaftliche Interessen. Nirgendwo.
Demokratien suchen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt mit- und
nicht gegeneinander; sie regeln Konflikte friedlich. Ihre
Bevölkerungen dulden gar nichts anderes. Die Diktatur hingegen
braucht die Konfrontation. Ein Gedankenexperiment macht das deutlich:
Man stelle sich vor, Russland wäre demokratisch. Dann würde es sich
durch Nato-Truppen an seinen Grenzen so wenig bedrängt fühlen wie
Schweden oder die Schweiz. Und wenn ein demokratisches Russland sogar
selbst Mitglied von EU und Nato wäre, dann wäre das Land heute völlig
gleichrangig mit England, Frankreich, Deutschland, den USA, denn es
gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Das ist keine absurde Idee. Anfang
der 90er-Jahre diskutierten junge russische Politiker begeistert
genau diese westliche Perspektive ihres Landes. Sie träumten von
einer Friedensdividende in Form von internationaler Beachtung,
Wohlstand und Entwicklung. Und warum nicht: Russland ist ein
europäisches Land mit großer Kulturgeschichte. Aber diese Träume sind
zermalmt worden vom militärisch-oligarchischen Komplex, dem Putin
angehört. Er hat nach den Massenprotesten im Jahr 2011/2012 zunächst
im Innern die Repression massiv angezogen. Und nun setzt er auf eine
nationalistische großrussische Mobilisierung, auf Konfrontation mit
dem Westen, um wieder Unterstützung für sich zu finden. Er strebt die
Augenhöhe der Konfrontation an, nicht die der Kooperation. Was die
Methode so gefährlich macht: Sie braucht ständige Eskalation, denn
das Volk wird irgendwann merken, dass man Neurussland-Träume nicht
essen kann. Russland hat neben seinen Rohstoffen nur eine äußerst
schwache ökonomische Basis und ist sozial gespalten wie kein anderes
Land in Europa. Das wird nun noch schlimmer. Die Armen werden noch
ärmer durch die Hochrüstung, natürlich auch durch die westlichen
Sanktionen. Dabei bräuchte Russland dringend Reformen, es bräuchte
eine Bürgerschicht und es bräuchte internationale Kooperation und
Investitionen. Unter Ex-Präsident Medwedew gab es dazu einen kurzen,
zaghaften Ansatz, bis Putin sich anders entschied. Sein Vorgehen in
der Ukraine ist nicht nur eine Bedrohung für andere Völker in der
russischen Einflusszone, vielleicht für die ganze Welt. Es ist vor
allem eine Bedrohung für das eigene Volk, dem nach mehr als sieben
Jahrzehnten Kommunismus schon wieder die Zukunft gestohlen wird.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
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