Vietnam auf dem Weg zu einem neuen nachhaltigen Wirtschaftswachstumsmodell
Geschrieben am 21-11-2014 |
Wiesbaden (ots) - Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09
hat die vietnamesische Regierung erfolgreich den Kurs der
makroökonomischen Stabilisierung eingeleitet und damit eine schnelle
Erholung der Wirtschaft von der Krise ermöglicht. Allerdings steht
Vietnam noch vor großen Herausforderungen, die eine grundlegende
Restrukturierung der Wirtschaft hin zu einem neuen nachhaltigen
Wachstumsmodell erfordern.
Stabiles Wirtschaftswachstum und gute Aussicht für die nächsten
Jahre
Obwohl es wie fast jedes Land auf der Welt die Auswirkungen der
Finanz- und Wirtschaftskrise in den letzten Jahren zu spüren bekommen
hat, hat sich Vietnam dank einer flexiblen Wirtschaftspolitik
vergleichsweise schnell davon erholt. Das Wirtschaftswachstum der
letzten Jahre blieb auf einem relativ hohen und stabilen Niveau mit
fünf bis sechs Prozent.
Die neuesten Wirtschaftsdaten bestätigen diesen Aufwärtstrend. Bis
Ende September 2014 wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 5,62
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - die Prognosen für das
gesamte Jahr liegen durchschnittlich bei 5,6 Prozent. Die
Inflationsrate bleibt mit 2,25 Prozent für die ersten neun Monate
2014 sehr niedrig und wird mit unter fünf Prozent für das gesamte
Jahr erwartet. Das ist schon eine beachtliche Entwicklung, wenn man
bedenkt, dass die Teuerungsrate in den Jahren 2010/11 über 20 Prozent
lag. Damit einhergehend hat sich der vietmesische Dong stabilisiert,
wobei der Wechselkurs zum US-Dollar seit drei Jahren stabil ist. Das
Haushaltsdefizit ist zwar in den letzten Jahren gestiegen, wird aber
für dieses Jahr aufgrund höherer Steuereinnahmen zurückgehen und
liegt momentan bei 5,3 Prozent des BIP.
Die Arbeitslosenquote im dritten Quartal 2014 liegt bei nur 2,2
Prozent. Die Industrieproduktion im Oktober 2014 ist um 7,9 Prozent
im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen, während der Einzelhandel
inflationsbereinigt um 6,4 Prozent wuchs. Realisierte direkte
Auslandsinvestitionen (FDI) haben mit 5,9 Prozent im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum zugelegt, nicht zuletzt dank der
Millardeninvestitionen von internationalen Großkonzernen wie Samsung,
Microsoft und Intel. Zudem steigen seit Jahren die finanziellen
Zuwendungen im Rahmen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit
(ODA). Des Weiteren nahm die Kreditvergabe an Unternehmen wieder zu
und trug damit zu mehr Investitionen und zur Ankurbelung der
Wirtschaft bei.
In den ersten zehn Monaten 2014 wachsen die Exporte mit 123,1 Mrd.
USD um 13,4 Prozent und die Importe mit 121,2,6 Mrd. USD um 11,2
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für 2014 werden ein
Ausfuhrvolumen von 148 Mrd. USD (ein Plus von 12,1 Prozent) und ein
Einfuhrvolumen von 146,5 Mrd. USD (ein Plus von 11 Prozent) erwartet.
Damit würde Vietnam zum wiederholten Male einen
Außenhandelsüberschuss erzielen. Durch die Handelsüberschüsse in den
letzten Jahren hat Vietnam eine Währungsreserve von 35 Mrd. USD
angehäuft. Wichtigste vietnamesische Exportprodukte sind mittlerweile
Textilien, Elektronikteile, Produkte der Leichtindustrie, des
Handwerks sowie meeres-, land- und forstwirtschaftliche Produkte
(Reis, Kaffee, Gewürze, Meeresfrüchte). Die EU ist nach den USA der
zweitwichtigste Exportmarkt für Vietnam mit einem Ausfuhrvolumen von
22,6 Mrd. USD für die ersten zehn Monate 2014 - ein Plus von 12,8
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Der Aktien- und der Immobilienmarkt haben sich langsam aber stetig
erholt. In den ersten neun Monaten 2014 sind die beiden wichtigsten
Aktienindizes (VN-Index und HNX-Index) jeweils um 19,9 bzw. 30,4
Prozent gestiegen, was Vietnams Aktienmarkt zu den fünf am stärksten
wachsenden Märkte weltweit gemacht hat. Das Immobilienhandelsvolumen
hat sich im selben Zeitraum verdoppelt im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum.
Insgesamt lassen die jüngsten Zahlen einen optimistischen Ausblick
für das laufende sowie die nächsten Jahre zu. Während die
Rating-Agentur Moody's Vietnams Bonität von "B2" auf "B1" hochstufte,
attestierte Fitch Vietnams Wirtschaftsausblick als "positiv". Die
Zinsen für Staatsanleihen mit sowohl kurz- als auch langfristigen
Laufzeiten sinken immer weiter, d.h.Vietnam genießt immer mehr
Vertrauen von Anlegern und kann sich leichter am internationalen
Kapitalmarkt Geld beschaffen. Der "Purchasing Managers Index" (PMI)
für Vietnam - der wichtigste und verlässlichste Frühindikator für die
wirtschaftliche Aktivität - ist seit 2012 im Durchschnitt über 50,
was steigende Erwartung der zukünftigen Industrieproduktion bedeutet.
Auch das Konsumklima im dritten Quartal 2014 ist positiv - der
"Nielsen Consumer Confidence Index" für Vietnam ist auf über 100
gestiegen.
Restrukturierung der Wirtschaft und neues Wachstumsmodell
Bei aller positiver Aussicht steht Vietnam immer noch vor großen
Herausforderungen. Zum Einen ist es die hohe Staatsverschuldung, die
noch einmal in den letzten Jahren stark gestiegen ist und schon fast
60 Prozent des BIP erreicht. Die hohe Staatsverschuldung ist eng
verbunden mit dem hohen Haushaltsdefizit, das u.a. durch die
Misswirtschaft der maroden Staatskonzerne in den letzten Jahren noch
mehr zunahm. Zum Anderen leidet der Finanz- und Bankensektor unter
den notleidenden Krediten, die insgesamt bis zu 22 Mrd. USD geschätzt
werden und hauptsächlich der Immobilienblase in den 2000er Jahren
geschuldet sind. Wirtschaftsexperten zufolge ist das Problem der
notleidenden Kredite zwar nicht groß genug, um eine Wirtschaftskrise
auszulösen, es kann allerdings die Erholung der Wirtschaft deutlich
bremsen. Des Weiteren hat Vietnam als Investitionsstandort noch viele
Schwächen wie z.B. unausgereifte gesetzliche Rahmenbedingungen für
Investitionen, niedrige Arbeitsproduktivität, fehlende
hochentwickelte Infrastrukturen etc. Außerdem ist Vietnams
Außenwirtschaft bisher nur auf die Produktion von Gütern mit geringer
Wertschöpfung beschränkt und sehr abhängig von China - einem
unberechenbaren und schwierigen großen Nachbarn.
Vietnams Führer haben diese großen Probleme erkannt und bereits
viele wirtschaftspolitische Maßnahmen eingeleitet. Neben
makroökonomischen Stabilisierungsmaßnahmen wie mehr
Haushaltsdisziplin und flexibler Zins- und Geldpolitik setzt Vietnam
auf die konsequente Restrukturierung seiner Wirtschaft, insbesondere
auf die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Reformierung
des wichtigen Banken- und Finanzsektors. So wurden neben vielen
kleinen und mittleren Unternehmen bereits einige staatliche
Großbanken und Großunternehmen aus dem Bereich der Telekommunikation,
Verkehr und Transport (teil-)privatisiert. Um die Probleme mit den
notleidenden Kredite zu lösen, hat Vietnam eine eigene "Bad Bank"
gegründet (VAMC). Die Abwicklung kommt relativ gut voran mit dem
bisherigen Aufkauf von fast 5 Mrd. USD notleidenden Krediten durch
VAMC. Um den Export anzukurbeln und mehr Investitionen aus dem
Ausland zu locken, hat Vietnam in den letzten Jahren viel Anstrengung
für die Integration in die Weltwirtschaft unternommen. So ist Vietnam
bereits Mitglied in allen wichtigen internationalen
Wirtschaftsorganisationen, u.a. in der Welthandelsorganisation (WTO),
der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der
ASEAN-Freihandelszone (AFTA), der Asiatisch-Pazifische
Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) etc. Insbesondere versucht Vietnam,
seine wirtschaftliche Abhängigkeit von China durch das Abschließen
von Freihandelsabkommen mit verschiedenen Ländern und Regionen der
Welt zu reduzieren. Zurzeit führt Vietnam Verhandlungen über ein
Freihandelsabkommen mit der EU (EVFTA), dessen Abschluss Ende 2014
oder Anfang 2015 erwartet wird. Auch mit den USA will Vietnam ein
Freihandelsabkommen (TPP) schließen, bei dem die Verhandlungen
ebenfalls bald abgeschlossen werden.
Um seine wirtschaftliche Entwicklung dauerhaft zu sichern, will
Vietnam darüber hinaus langfristig auf ein neues nachhaltiges
Wachstumsmodell setzen, wobei der Fokus auf die Förderung von
Innovation, Hochtechnologie sowie grüner und wissensbasierter
Wirtschaft gelegt wird. Dafür hat die Regierung bereits angefangen,
das Bildungs- und Ausbildungssystem grundlegend zu reformieren sowie
noch mehr Investitionen in den Ausbau von Infrastrukturen und in den
Umweltschutz zu tätigen. Es sind hochgesteckte Ziele, die Vietnam
verfolgt. Sie sind aber notwendig, wenn das Land die großen
Herausforderungen meistern und langfristig seine
Wirtschaftsentwicklung nachhaltig gewährleisten will. Dass es der
richtige Kurs ist, zeigt sich in den deutlich verbesserten
Vertrauenswerten in der Nationalversammlung für den
Ministerpräsidenten Nguyen Tan Dung und einige Minister sowie den
Chef der vietnamesischen Zentralbank.
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Medienbüro Schick
E-Mail: schick-pr@web.de
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