Börsen-Zeitung: Vorweihnachtliche Vola, Marktkommentar von Stefan Schaaf
Geschrieben am 19-12-2014 |
Frankfurt (ots) - Typischerweise beruhigt sich das Geschehen an
den Finanzmärkten in den Tagen vor dem Weihnachtsfest. Es ist dann
oft zu lesen, Investoren begännen ihre Bücher für das Jahr zu
schließen. In diesem Jahr kann man nur hoffen, dass Investoren ihre
Bücher an den vergangenen Tagen noch offen hatten. Denn die letzte
komplette Handelswoche vor der Weihnachtspause und dem bei vielen in
der Finanzbranche folgenden obligatorischen Ski-Urlaub hatte es in
sich. Statt vorweihnachtlicher Ruhe herrschte erhöhte Volatilität.
Gemessen am Volatilitätsindex VDax-New war die abgelaufene
Handelswoche die zweitnervöseste in diesem Jahr. Nur im Oktober, als
es eine Verschiebung in den US-Zinserwartungen gab, erreichte die
Volatilität am deutschen Aktienmarkt höhere Stände. Zwischen
Wochenhöchst- und -tiefststand beim Dax lagen knapp 700 Zähler. Auch
am Devisenmarkt steigt die Unruhe seit Monaten an: Der
Volatilitätsindex CVIX liegt inzwischen fast doppelt so hoch wie im
Sommer.
Auch an anderen Märkten herrschte zuletzt große Nervosität,
insbesondere in den Schwellenländern, die ohnehin meist als Erste bei
steigender Risikoaversion abverkauft werden. Der von J.P. Morgan
berechnete Index für Schwellenländerwährungen rutschte im Dezember
bislang um 3,4% ab. Zugleich verschärfte sich der Ausverkauf bei
Schwellenländer-Anleihen. Er erreichte nach Berechnungen von Barclays
Research zuletzt ein Ausmaß, das dem des Tapering-Schocks aus dem
Frühsommer 2013 und dem Höhepunkt der Euro-Krise im Jahr 2012
gleichkam.
Geduldige US-Notenbank
Es war auch dieser Tage wieder die US-Notenbank Federal Reserve,
die ihren Beitrag zur höheren Volatilität leistete. Nachdem
Fed-Präsidentin Janet Yellen den Zinspfad im kommenden Jahr mit dem
Wort "geduldig" charakterisiert hatte, wird keine schnelle und vor
allem keine starke Zinserhöhung in den USA erwartet. Die Märkte
interpretierten Yellens Aussagen jedoch konträr: Während an den
Industrieländer-Aktienmärkten die Aussicht einer langsamen
Zinserhöhung die Kurse steigen ließ, lastete auf den
Schwellenländern, dass die US-Zinsen überhaupt steigen werden. Dies
wird Währungen und Anleihen aus den aufstrebenden Volkswirtschaften
relativ an Attraktivität einbüßen lassen.
Allerdings gab es für das Schwellenländer-Sentiment auch einen
gewichtigen Belastungsfaktor: den Rubel-Absturz, für den das Wort
Rubocalypse durch die sozialen Netzwerke unterwegs ist. Die seit dem
Frühjahr andauernde Abwertung hatte sich zuletzt beschleunigt, bis
der Rubel trotz Zinserhöhung in den freien Fall überging. Wie sehr
die Nerven in der russischen Wirtschaft bloßliegen, zeigte eine
Meldung der Zeitung "Novaja Gazetta". Ihr zufolge trug ausgerechnet
der Ölmulti Rosneft zum Absturz auf knapp 80 Rubel je Dollar bei,
indem er eine Anleihe über 625 Mrd. Rubel platzierte. Diese sei von
Banken gezeichnet und als Sicherheit bei der Notenbank hinterlegt
worden. Das aufgenommene Geld sei in Hartwährung getauscht worden.
Rosneft dementierte via Bloomberg aufs Heftigste, eine Rolle beim
Rubel-Absturz gespielt zu haben.
Risikofaktor Russland
Wie auch immer, die Entwicklung in Russland bleibt zum
Jahresschluss ein Risikofaktor für die Finanzmärkte. Das durch
jahrelange Rechtsunsicherheit und Willkür der Politik in Moskau
ohnehin schon beschädigte Vertrauen in das osteuropäische Land hat
dadurch weiter gelitten, dass es Politik und Notenbank nicht
vollbrachten, den Absturz ihrer Währung wenigstens zu bremsen. Für
russische Banken und Unternehmen verschärfte der Rubel-Absturz die
Probleme bei der Rückzahlung ihrer Auslandsschulden. Damit wachsen
allerdings auch die Schwierigkeiten westlicher Banken, die Schuldner
von Institutionen in Russland sind.
Wieder einmal Griechenland
Die Schwierigkeiten Russlands überdeckten zuletzt noch ein
anderes, ebenfalls zum Jahresschluss heraufziehendes Problem - ein
altbekanntes Problem der Europäer, nämlich Griechenland. Dort steht
die Neuwahl eines Präsidenten an, die Mehrheitsfindung ist schwierig.
Noch vor dem Jahreswechsel könnte die Wahl scheitern, womit im
kommenden Jahr das Parlament von den Wählern neu bestimmt werden
müsste. Ein Sieg der Reformgegner gilt als wahrscheinlich, so dass
die Euro-Krise wieder aufflackern könnte - wenngleich die
Schutzmechanismen der EZB und des Rettungsfonds ESM installiert sind
und funktionieren dürften. Dennoch: Nach dem volatilen Advent droht
ein volatiler Jahreswechsel.
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