Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland
Geschrieben am 22-02-2015 |
Bielefeld (ots) - Um markige Worte ist Ministerpräsident Alexis
Tsipras offenkundig nie verlegen: Man habe »einen Kampf, aber nicht
den Krieg« gewonnen, hat er nach der Vereinbarung von Brüssel wissen
lassen. Dass Tsipras sein Land - zumindest verbal - in einem Krieg
wähnt, sagt einiges über sein mangelndes Fingerspitzengefühl und
fehlende politische Erfahrung aus, aber noch viel mehr über das
Gefühlsleben der Griechen.
Längst wähnt sich Hellas kollektiv mit dem Rücken zur Wand und von
den Staaten der Euro-Zone wahlweise erpresst beziehungsweise im Stich
gelassen. Nur so wird plausibel, dass Tsipras und sein Finanzminister
Gianis Varoufakis die Brüsseler Beschlüsse als einen Erfolg verkaufen
können, der sie nüchtern betrachtet nicht sind. Etikettenschwindel
hier (»Institutionen« statt »Troika«) und etwas Erleichterung dort
(Primärüberschuss nur noch »angemessen« statt drei Prozent) - das
war's auch schon.
Doch so verrückt es klingen mag, wir sollten froh sein, wenn
Tsipras daheim weiter Vertrauen genießt. Denn so wenig die gesamte
Euro-Zone für die Wahlversprechen der neuen griechischen Regierung in
Haftung genommen werden darf, so gering muss unser Interesse an einem
raschen Scheitern der Regierung Tsipras sein. So gesehen war Brüssel
in der Tat für beide Seiten ein Erfolg. Ein neuer Anfang womöglich.
Was er wert ist, wird sich nicht bei der Durchsicht der Reform- und
Sparliste zeigen, auf die Europa wartet. Was er wert ist, wird das
Handeln der griechischen Regierung in den nächsten Monaten zeigen.
Wunderdinge darf man dabei kaum erwarten.
Muss man auch nicht. Wenn, ja wenn endlich Griechenlands
Strukturprobleme in Angriff genommen würden: keine Steuerverwaltung,
die die Steuern auch einzieht, kein funktionierendes Katasteramt und
reiche Reeder, die nach wie vor geschont werden. Alles nicht neu,
bloß hat sich hier in den vergangenen fünf Jahren leider so gut wie
nichts getan. Was Wunder also, dass gestern durchsickerte, Maßnahmen
gegen Korruption und Steuerbetrug würden auch jetzt zu den
Kernpunkten des Papiers zählen.
Doch allem Ärger über jahrelange Untätigkeit und griechische
Großmäuligkeit zum Trotz muss Europa auch klar sein: Wer glaubt, ein
Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone lasse die
Währungsgemeinschaft unberührt, irrt gewaltig.
Dass die 65 Milliarden Euro, mit denen Deutschland derzeit bürgt,
auf einen Schlag verloren wären und über die EZB-Haftung langfristig
womöglich weitere 23 Milliarden Euro, ist da noch das geringere
Problem. Viel gravierender wäre, dass prompt die Frage im Raum
stände, welches Land wohl als nächstes dran ist. Und mit Blick auf
Griechenland wäre zu klären, wer hier einspringt: Russland oder gar
China?
Nur wer all das für vertretbar hält, sollte dem »Grexit« das Wort
reden. Alle anderen hingegen sollten sich weiter um den europäischen
Erfolgsweg des Kompromisses bemühen - ist dieser auch noch so lang
und steinig.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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