Westfalenpost: Harald Ries zu Griechenland
Geschrieben am 11-03-2015 |
Hagen (ots) - Man muss der noch jungen griechischen Regierungen
ein paar Dinge zugute halten: Sie ist nicht für die Fehlentwicklungen
der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich. Die grundsätzlichen
Zweifel am Konzept des Extremsparens in der Rezession werden weltweit
von vielen Wirtschaftsexperten geteilt. Die einseitige Belastung der
Armen war ein großer Fehler des Troika-Regimes. Und große Erfolge des
gesamten sogenannten Rettungsplans sind nicht zu verzeichnen.
Ministerpräsident Tsipras und Finanzminister Varoufakis hätten also
mit den europäischen Partnern Verhandlungen über eine Neujustierung
aufnehmen können, ein Sozialprogramm zur Linderung akuter Nöte
verlangen, dafür mit aller Kraft endlich den von ihren Vorgängern
versprochenen, doch verschleppten Umbau des Staates in Richtung
Effizienz angehen. Es sind nicht nur Steuer- und Katasterwesen
lächerlich unterentwickelt; die gesamte Bürokratie ist überbesetzt
und unterqualifiziert. Von solchen Versuchen ist nichts bekannt
geworden. Von Anfang an waren Provokationen und Erpressungsversuche
zu vernehmen. Die Drohung des Verteidigungsministers, Flüchtlinge,
auch Terroristen, mit Papieren auszustatten und nach Berlin zu
schicken, sind noch frisch, da will der Justizminister deutsches
Eigentum beschlagnahmen, um Reparationen einzutreiben. Ist das
Irrsinn aus Verzweiflung? Sehr unkonventionelle Taktik? Purer
Dilettantismus? Reste von Vertrauen hat Athen verspielt. Der Preis,
den die Euro-Länder für Griechenland zu zahlen bereit sind, wird
nicht steigen. Emotionale Gegenreaktionen verbieten sich dennoch.
Zähes Verhandeln, mühsame Kompromisse - so funktioniert Europa.
Besser mit Griechenland, notfalls auch ohne. Hoffentlich wird das in
Athen bald verstanden.
Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion
Telefon: 02331/9174160
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