Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Tsipras zu Gast in Russland
Missglückte Diplomatie
Wolfgang Mulke, Berlin
Geschrieben am 08-04-2015 |
Bielefeld (ots) - Das Verhältnis zwischen den EU-Staaten und der
griechischen Regierung ist zunehmend von Nervosität geprägt. So
fallen die Reaktionen auf den Russland-Besuch des Ministerpräsidenten
Alexis Tsipras unangemessen heftig aus. Auch deutsche Politiker
lassen die Einsicht vermissen, dass ein Besuch Tsipras' im historisch
verbundenen Russland kein Verrat am eigenen Lager ist. Die Frucht
dieser Reise könnte zwar der Auftakt für einen Bruch mit der EU sein,
wenn Griechenland aus der gemeinsamen Sanktionspolitik Europas
ausschert und sein eigenes Süppchen mit den Russen kocht. Doch das
ist nicht gesagt. Beide Länder wollen ihre Wirtschaftsbeziehungen
ausbauen und Russland das Embargo griechischer Nahrungsmittel
lockern. Wer von den Griechen verlangt, dass sie ihre Wirtschaft
ankurbeln, um sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, kann
dafür nur Verständnis aufbringen. Skeptisch stimmen jedoch die
brüsken Töne aus Athen. Es wird bei dieser Regierung nicht klar, was
sie leisten kann oder will. Auch wenn am Ende bislang immer ein
Bekenntnis zu den Regeln der Schuldenhilfe und zur EU stand, ist
diese missglückte Diplomatie von einer Vertrauensbildung bei den
Partnern in Europa weit entfernt. Vorwürfe wie Europa wolle
Griechenland bevormunden wirken befremdlich angesichts der prekären
finanziellen Lage des Landes und rufen wiederum anderswo harsche Töne
hervor. Es ist höchste Zeit, diese verbale Aufrüstungsspirale zu
beenden. Sonst wäre eine Staatspleite Griechenlands und ein Austritt
aus dem Euro die Folge. Dieses Szenario wäre weitreichend - wie sehr
ist ungewiss. Über die wirtschaftlichen Risiken hinaus geriete die
Idee der europäischen Einigung in Gefahr. Sie bedarf schon jetzt
dringend einer Erneuerung. Sonst hat nicht nur der Euro, sondern auch
die EU keine große Zukunft.
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Neue Westfälische
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