Börsen-Zeitung: Entspannung am Ölmarkt, ein Kommentar von Dieter Kuckelkorn
Geschrieben am 30-04-2015 |
Frankfurt (ots) - Der Ölpreis hat nach dem geradezu traumatischen
Fall um mehr als 60% auf unter 50 Dollar je Barrel Brent Crude seit
Ende Januar eine beeindruckende Erholung hingelegt. Er hat sich
inzwischen auf einem Niveau von rund 65 Dollar eingependelt, das er
bis jetzt auch an Handelstagen mit einer ungünstigen Nachrichtenlage
verteidigen kann. Damit scheint klar zu sein, dass der Niedergang des
Ölpreis ausgestanden ist und dass nicht zu erwarten ist, dass die für
die Ölförderer schlimmsten Befürchtungen noch eintreten. Einige
Beobachter hatten den Brent-Preis bekanntlich schon bei 30 Dollar
oder gar darunter gesehen.
Dies ist bemerkenswert, hat sich das Marktumfeld doch gegenüber
der Zeit des starken Rückgangs des Ölpreises gar nicht so sehr zum
Besseren gewandelt. Jedenfalls sieht es noch nicht danach aus, als
hätten die Saudis ihr Ziel schon erreicht, den neuen Ölproduzenten
aus Nordamerika, die den Energieträger per Fracking oder aus Ölsänden
gewinnen, über Ultraniedrigpreise den Garaus zu machen. Gemäß den
jüngsten Daten ist zwar die Zahl der aktiven Ölförderanlagen in den
USA auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren zurückgegangen. Auf
die tatsächliche Förderung schlägt das aber noch kaum durch. Die
US-Produktion ist zwar seit mittlerweile rund drei Monaten Woche für
Woche rückläufig. Die jeweiligen Rückgänge sind aber so klein, dass
sie kaum ins Gewicht fallen.
Zudem ist die vorhergesagte Pleitewelle bei den kleinen und
oftmals prekär finanzierten Ölförderern in den USA bislang
ausgeblieben. Nordamerika produziert also weiter auf Teufel komm raus
- wie übrigens auch die Saudis, Russland und die meisten anderen
Förderländer. Damit ist das Problem der überquellenden Versorgung des
Marktes nach wie vor gegeben.
Phase der Verlangsamung
Zudem ist die konjunkturelle Lage in weiten Teilen der Welt
keineswegs rosig. Mit schwachen Wachstumsdaten schockten zuletzt die
USA. Asien befindet sich immer noch in der Phase der konjunkturellen
Verlangsamung und in Europa ist die Lage nach wie vor enttäuschend.
Die bislang gedrückte Ölnachfrage wird demnach auf absehbare Zeit zu
keinem neuen Höhenflug ansetzen.
Dass der Ölpreis angesichts dieser Lage nicht noch weiter
nachgibt, darf als Zeichen dafür gesehen werden, dass die letzte
Phase des Ölpreisrückgangs offenbar durch Übertreibungen geprägt war.
Saudi-Arabien scheint zudem nicht mehr daran interessiert zu sein,
den Preis weiter nach unten zu prügeln. Die jüngsten Kommentare aus
Riad deuten jedenfalls darauf hin, dass man dort mit dem
gegenwärtigen Preisniveau ganz zufrieden ist. Dies ist unter anderen
wohl deshalb der Fall, weil der Ölpreis im US-Markt noch deutlich
niedriger ist als die globale Benchmark Brent. Die US-Referenzsorte
West Texas Intermediate (WTI) weist gegenüber Brent einen Abschlag
von rund 8 Dollar je Barrel auf. Ein WTI-Preis von gegenwärtig rund
57 Dollar ist kein Umfeld, in dem die US-Ölbranche aufblüht. Insofern
haben die Saudis immerhin den Anstieg der US-Produktion vorerst
gestoppt.
Mit dieser Situation kann auch die Obama-Administration in
Washington ganz gut leben. Sie ist zwar auf der einen Seite wegen der
großen Umweltschäden kein Freund der Förderung aus unkonventionellen
Quellen zumal nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass die
Ölindustrie ihre umfangreichen Parteispenden traditionell zu einem
großen Teil den Republikanern zukommen lässt.
Auf der anderen Seite war die US-Regierung aber zuletzt durchaus
besorgt, was die negativen Auswirkungen des Ölpreisverfalls auf die
amerikanische Volkswirtschaft betrifft. In Washington drängt man
jedenfalls nicht mehr auf noch niedrigere Preise. Damit ist das
Rückschlagpotenzial beim Ölpreis begrenzt.
Angebot zu groß
Andererseits ist kaum damit zu rechnen, dass der Ölpreis ausgehend
vom aktuellen Niveau noch zu einem nennenswerten Höhenflug ansetzt.
Dafür ist das Angebot auf dem Ölmarkt einfach zu groß und die
Nachfrage zu verhalten. Ein größerer Anstieg ist eigentlich nur für
den Fall denkbar, dass einer zahlreichen politischen Konflikte im
Nahen Osten oder in anderen Förderländern explodiert und die
Versorgung gefährdet.
Das derzeit wahrscheinlichste Szenario für den Ölpreis ist, dass
dieser nicht unter 60 Dollar rutscht, auf der anderen Seite aber auch
nicht über 70 bis kurzzeitig maximal 75 Dollar ausbricht. Erst für
das kommende Jahr ist ein darüber hinaus gehender, aber maßvoller
Anstieg denkbar - aber auch nur dann, wenn die globale Konjunktur
mitspielt.
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