Börsen-Zeitung: Weniger wäre mehr, Kommentar zum Brexit von Andreas Hippin
Geschrieben am 28-05-2015 |
Frankfurt (ots) - David Cameron hat ein Problem: Es konnte ja
keiner ahnen, dass seine Konservativen bei den Unterhauswahlen Anfang
des Monats die absolute Mehrheit holen würden. So erfreulich das für
die Tories auch gewesen sein mag, die angekündigte Volksabstimmung
über den Austritt aus der Europäischen Union lässt sich nun nicht
mehr unter Verweis auf einen unwilligen Koalitionspartner auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.
Der britische Premierminister ist natürlich für den Verbleib
seines Landes in der Staatengemeinschaft. Cameron wollte mit dem
Versprechen, ein Referendum abzuhalten, nur den EU-Gegnern von der UK
Independence Party (Ukip) im Wahlkampf den Wind aus den Segeln
nehmen. Zudem nahm er an, mit der Austrittsdrohung im Rücken in
Brüssel bessere Konditionen herausholen zu können. Nun zeichnet sich
ab, dass er unter den europäischen Partnern kaum Unterstützung für
seine Forderung nach mehr nationaler Souveränität findet. Eine
Änderung der EU-Verträge, wie von London angestrebt, wird nicht zu
erreichen sein. Europa beschäftigen andere Themen wie die
Flüchtlingstragödie im Mittelmeer und der sich abzeichnende
Staatsbankrott Griechenlands. Und zumindest Berlin und Paris wollen
mehr als eine Freihandelszone: die Vereinigten Staaten von Europa, um
den USA auf der Weltbühne besser Konkurrenz machen zu können. Weniger
wäre mehr, denn eine noch tiefere Integration wird mit den Briten
nicht zu machen sein. Europafreunden unter den Konservativen wie
Cameron sind vor der Volksabstimmung die Hände gebunden. Zu dünn ist
die Mehrheit der Tories in Westminster, um so richtig die
Werbetrommel für die EU zu rühren, zu groß die Gefahr, dass
brüsselfeindliche Hinterbänkler zu Ukip überlaufen. Die nach Stimmen
drittstärkste politische Partei des Landes dürfte den Ton der Debatte
vorgeben. Auch wenn sich Nigel Farages Wahlverein zuletzt selbst
demontierte, darf mit seinem Comeback gerechnet werden. Das Thema
Europa ist heiß. Das zeigt sich schon daran, dass man sich inzwischen
auch bei Labour für ein Referendum ausspricht. Die bisherige
Verweigerungshaltung hat bei der Wahl offenbar zu viele Stimmen
gekostet.
Auch in anderen Ländern wachsen EU-feindliche Bewegungen. Aber
Cameron kommt zu früh, um bei den europäischen Partnern auf offene
Ohren zu stoßen. Wer in dieser Situation wie François Hollande auf
stur stellt, nimmt den Austritt Großbritanniens billigend in Kauf und
sorgt dafür, dass die Zentrifugalkräfte weiter zunehmen.
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